Sommerferien in Peking
Schriftzeichen, von Bussen und Autos. Und überall ist es laut. Ich schwitze auch schon – nicht weil ich nervös bin, sondern weil draußen bestimmt über 38 Grad sind – wie in einer Sauna!
Als das Taxi über den nördlichen Stadtring fährt, kommen wir an dem Viertel vorbei, in dem wir früher gewohnt haben. Ich kann unser ehemaliges Haus aber von hier aus nicht sehen. Auch nicht Sophies Haus, das nicht weit von unserem entfernt lag. Von meinem Fenster aus habe ich nachts mit einer Taschenlampe Signale in Sophies Zimmer gesendet. Zweimal lang, einmal kurz. Wenn Sophie es sah, signalisierte sie genauso zurück.
Nach etwa eineinhalb Stunden biegt unser Auto langsam in das große Tor ein, das zum Wohncompound des staatlichen Forschungsinstituts führt. In diesem abgegrenzten Wohngebiet leben Lao Lao und Lao Ye. Der junge Soldat, der am Tor Wache steht, salutiert zu uns herüber und auch Lao Ye hebt seine Hand und grüßt zurück. Er zeigt ihm noch meinen Pass und eine Bescheinigung, die extra für meinen Besuch ausgestellt wurde.
Wenn ein Fremder zu Besuch kommt, muss er nämlich erst ein Formular ausfüllen und seinen Ausweis vorlegen, bevor er reingelassen wird. Bei Ausländern ist es noch vielkomplizierter. Da braucht man eine Sondererlaubnis, die man schon Wochen vor dem Besuch beantragen muss. Zum Glück hat Lao Ye das schon für mich gemacht.
Meine Großeltern wohnen in der 8. Etage eines Hochhauses. Hochhäuser gibt es in Peking sehr viele. Deshalb kommt es auch nur selten vor, dass man einen eigenen Garten hat. Mein Lao Ye liebt aber Pflanzen und Tiere, weil er auf dem Land aufgewachsen ist. Er hat außerdem als Umweltforscher gearbeitet. Also hat er sich einfach einen kleinen Garten mit Mini-Teich auf dem großen Balkon einbauen lassen. Da wohnen jetzt zwei Schildkröten und noch ein paar Goldfische.
Zu Hause warten Tante Bin und meine Cousine Mi Mi auf mich. Auspacken kann ich später, sagen alle, da es gleich ein chinesisches Bankett geben wird.
Auf einem runden Tisch stehen schon viele bunte Speisen, die Tante Bin gekocht hat: Fisch, Garnelen und verschiedene Sorten Gemüse. Manche Gerichte kenne ich gar nicht, aber die Düfte von original chinesischem Essen – die habe ich schon lange vermisst!
Mmh, wirklich lecker! Das erinnert mich an früher – so hat Mama in Peking auch für uns gekocht. In Deutschland jammert sie oft, dass sie die chinesischen Gerichte nicht richtig zubereiten kann. Es fehlen manche Gewürze und Gemüsesorten, aber der Hauptgrund liegt an dem Elektroherd, sagt Mama. Man braucht das richtige Feuer, um frische Zutaten schnell braten zu können. »Wok und Feuer!Eine Zauberei!«, sagt sie immer sehnsüchtig. Sie muss das chinesische Essen auch sehr vermissen.
Was ich auch toll finde, ist der große Drehteller in der Mitte des runden Tisches. Auf ihm stehen alle Speisen. Wenn jemand etwas essen möchte, das weiter entfernt ist, dreht er einfach an dem Teller und bekommt das Gewünschte direkt vor die Nase.
Als Lao Lao mir noch einmal die Schüssel auffüllen möchte, sagt Tante Bin: »Lass Lisa sich doch selbst Essen holen, wenn sie noch was möchte. Sie ist ja kein kleines Kind mehr.« Ich schaue sie dankbar an. Lao Lao hat immer wieder Fisch und Gemüse in meine Schüssel gefüllt und ich bin jetzt wirklich schon satt.
Endlich ist es so weit: Wir dürfen zusammen den Koffer auspacken.
»Oh Gott, oh Gott!« Mi Mi hüpft wie ein kleiner Frosch vor meinem Koffer auf und ab. »Ich bin so gespannt«, sagt sie.
Als ich ihr mein Geschenk überreiche, reißt sie sofort das Geschenkpapier auf und zum Vorschein kommt eine Spieldose, gefüllt mit Lebkuchenherzen.
»Ai Ya! Eine Schatzkiste!« Mi Mi findet die Dose offensichtlich noch besser als die Lebkuchen. Sie nimmt den Inhalt sofort heraus und legt stattdessen die glänzenden Kleider und den Schmuck ihrer Barbies hinein. Nun lässt sie die Musik immer wieder erneut erklingen, damit ihre zwanzig Barbie-Prinzessinnen auf dem Ball tanzen können.In der Musikpause dürfen die Barbie-Prinzessinnen auch Lebkuchen essen.
Die Gummibärchen gefallen Mi Mi auch sehr gut, jedenfalls verschwinden fünf davon gleich auf einmal in ihrem Mund.
Lao Lao bekommt eine Knoblauchpresse und freut sich, dass ihre Hände nun nach dem Kochen nicht mehr so nach Knoblauch riechen werden.
Lao Ye bekommt ein paar chinesische Zeitungen, für die Mama Artikel schreibt und die in Europa veröffentlicht werden. Er setzt die Brille auf und beginnt sofort zu
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