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Sommerferien in Peking

Sommerferien in Peking

Titel: Sommerferien in Peking Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leela Wang
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er aus dem Institut abhauen und in die Schule gelangen?«, frage ich.
    »Das weiß leider niemand so genau. Aber die Bananen und Äpfel in den Schultaschen meiner Mitschüler haben ihm auf jeden Fall so gut geschmeckt, dass er uns immer wieder mal besucht hat.« Ping kichert.
    »Und hast du ihn dann eingefangen?«, will ich sofort wissen.
    »Nein, nein«, antwortet Ping hastig. »Nachdem unser Schuldirektor das Forschungsinstitut angerufen hat, wurde sofort jemand geschickt. Der Affe kannte ihn wohl sehr gut, denn er hat sich ohne Zögern auf seine Schulter gesetzt und ist mit ihm zurückgegangen.«
    »Hast du das Video noch?«, frage ich.
    »Na klar. Als ich den Affen das erste Mal gesehen habe, sind mir meine Augen vor Staunen fast aus dem Kopf gefallen. Zum Glück habe ich trotzdem meine Videokamera geschnappt und alles aufgenommen.«
    »Wie sieht der Affe aus? Ist er süß?«
    »Und wie! Wenn du mich morgen besuchen kommst, zeige ich ihn dir.«
    »Toll! Abgemacht!«
    Dann fällt mir noch etwas ein. »Mag dein Opa deinenSpitznamen nicht? Er sah etwas besorgt aus, als er den Namen gehört hat.«
    Diesmal antwortet Ping nur oberflächlich: »Ach, die Erwachsenen machen sich doch immer zu viel Sorgen ...«
    Als wir zurück zu der Taiji-Gruppe kommen, erzähle ich Lao Ye und Meister Zhao begeistert, was los war.
    »So kann man sich in Menschen täuschen«, murmelt Lao Ye kopfschüttelnd. »Unglaublich!«
    Zu meiner Überraschung runzelt Meister Zhao die Stirn und sagt zu Ping: »Hast du die Taiji-Einstellung vergessen? Wir kämpfen nur, wenn wir müssen. Taiji soll die Gesundheit fördern und ist zur Selbstverteidigung da, nicht um damit anzugeben oder um sich zu prügeln. Du warst zu ungeduldig!«
    Ich kann meinen Ohren kaum trauen. Warum schweigt Ping nur und hört respektvoll zu? Kann er plötzlich nicht mehr reden? Ich entgegne: »Warum schimpfst du Ping aus, Meister Zhao? Er hat mich doch gerettet. Er war super! Der andere Kerl war böse!«
    Meister Zhao sagt ernsthaft: »Trotzdem darf Ping ihn nicht gleich wegschleudern. Wer stärker ist, muss nicht unbedingt recht haben.«
    Ich erinnere mich, wie der böse Kerl meinen Arm festgehalten hat, und muss jetzt widerwillig den Kopf schütteln.
    Meister Zhao sagt weiter: »Wer etwas Falsches macht, hat im Grunde Angst. Wenn viele Leute kommen und ihnbeschimpfen, wird er seinen Fehler bemerken und flüchten. Ping hat gegen die Regeln verstoßen und soll jetzt zur Strafe 200-mal die Beine hochkicken.«
    Ping versucht gar nicht erst, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, sondern fängt stattdessen schon an zu kicken. O.K., wenn Ping das so macht, will ich auch nicht mehr länger argumentieren. Aber ein richtiges Mädchen tut, was es tun muss. Also halte ich meine Tränen zurück, stelle mich neben Ping und fange an, die Beine hochzukicken.
    Da staunen Meister Zhao und mein Lao Ye.
    »Was machst du?«, fragen beide zugleich.
    Ich sage: »Das war eigentlich alles meine Schuld. Wenn Ping meinetwegen bestraft werden muss, soll ich mit bestraft werden.«
    Ich kicke weiter mit all meiner Kraft.
    Meister Zhao und Lao Ye schauen einander an. Zu meiner großen Freude muss Ping jetzt grinsen und seine Augen strahlen wieder.
    »Gut! So machen wir es«, sagt Meister Zhao kopfnickend. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht.
    Danach haben mir meine Beine den ganzen Tag wehgetan. Bei der Chang-Quan-Übung habe ich noch nie so viel kicken müssen. Aber Ping ist wieder gesprächig. Als wir zusammen nach Hause gehen, laufen wir extra langsamer als die anderen. Er versucht, mich zu trösten: »200-mal Kicken ist keine wirklich strenge Strafe. Ich musste einmal eine Stunde in der ›Ma Bu‹-Haltung, der Reiterstellung, verharren, weil ich in der ersten Klasse mit einem Jungen einen Kung-Fu-Wettbewerb gemacht habe ...«
    Bei der ›Ma Bu‹-Haltung muss man die Beine breit spreizen und tief in die Hocke gehen, die Kniegelenke genau 90 Grad anwinkeln und den Rücken gerade halten. Diese Haltung ist gar nicht so einfach, wie sie aussieht. Als Papa Tobi die ›Ma Bu‹-Haltung beibrachte, gelang es Tobi am Anfang nur, entweder seinen Rücken gerade zu halten oder seine Oberschenkel parallel zum Boden zu stellen. Sobald er beides gleichzeitig versuchte, kippte er einfach um.
    »Hast du gegen den Jungen verloren?«, unterbreche ich Ping. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass ein anderer Junge besser Kung-Fu kann als Ping.
    »Nein, ich habe gewonnen. Aber du hast doch meinen Opa gehört.

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