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Sommerferien in Peking

Sommerferien in Peking

Titel: Sommerferien in Peking Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leela Wang
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Ich soll nicht angeben. Das ist auch eine seiner Taiji-Regeln.« Dann kichert Ping und meint: »Na ja, auf jeden Fall hat Opa damals ein Becken voll mit kaltem Wasser unter meinen Po gestellt. Wenn mein Po nach unten sank, wurde meine Hose nass. Das war wirklich hart! Aber inzwischen kann ich schon über eine Stunde in der ›Ma Bu‹-Haltung stehen. Manchmal übe ich die ›Ma Bu‹-Haltung sogar, während ich etwas für die Schule auswendig lernen muss. So spare ich viel Zeit.« Pings Stimme klingt wieder richtig selbstbewusst. Nichts wird ihn wirklich lange stören, denke ich.
    »Findest du nicht, dass dein Opa zu streng ist?«, frage ich später.
    »Nöh«, schüttelt Ping den Kopf. »Er ist eigentlich sehr nett, das wirst du noch merken. Übrigens war er es, der mich vorhin im Park zu dir geschickt hat. Er hat gemeint, dass ich ein bisschen auf dich aufpassen soll.«
    Als ich unsere Wohnung betrete, kommt Meister Zhao gerade mit Lao Ye aus dem Arbeitszimmer. Als die beiden mich sehen, fragt Lao Ye mich: »Woher weißt du, dass Ping den Spitznamen ›Spy Kid‹ hat?«
    »Ich habe es von den anderen Kindern gehört. Ping hat ein Tor geschossen und alle haben gejubelt. Die Kinder haben Ping sogar auf ihren Schultern getragen.«
    »Aha.« Lao Ye nickt nachdenklich und dreht sich zu Meister Zhao: »Siehst du, alter Zhao. Die anderen Kinder scheinen ihn sehr zu mögen. Vielleicht ist es gar nicht böse gemeint, wenn sie ihn ›Spy Kid‹ nennen.«
    »Ist es auch nicht«, sage ich. »Sie nennen ihn doch nur deshalb so, weil er einen Diebstahl in der Schule aufgedeckt hat. Den, mit dem Affen.«
    »Aha, der kleine Affe aus deinem Institut!« Meister Zhao sieht plötzlich erleichtert aus: »Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.«
    »Ich glaube wirklich nicht, dass du dir um Ping Sorgen machen musst«, meint Lao Ye jetzt zu Meister Zhao. »Er ist doch immer so ein sonniger Junge.«
    Sonnig? Kann man »sonnig« zu einem Jungen sagen?Obwohl, wenn ich es mir genau überlege, passt der Begriff eigentlich super zu Ping.
    Bevor Meister Zhao geht, fragt er mich, ob ich Taiji lernen möchte.
    »Ich? Bin ich nicht zu jung für Taiji? Ich kann nur ein bisschen Chang Quan und die Mulan-Form.«
    Aber da lächelt Meister Zhao leicht und sagt: »Die Mulan-Form ist doch eine Form von Taiji.«
    »Oh!« Jetzt bin ich verwirrt.
    »Du hättest die Mulan-Form vorhin auch anwenden können. Sie ist zwar eine sanfte Form, aber mit der Haltung ›Feuer Phönix trifft den Drachen‹ hättest du den bösen Kerl von dir wegschleudern können. Er mag zwar viel Kraft haben, aber er kennt kein Kung-Fu«, sagt Meister Zhao würdevoll.
    »Aber auf der Mulan-DVD wurde nie gezeigt, dass die Bewegungen auch zur Selbstverteidigung genutzt werden können«, wundere ich mich jetzt laut.
    »Man fängt normalerweise mit den Grundlagen des Kampfkunststils an. Dann lernt ein Schüler eine Form, eine genau einstudierte Sequenz aus mehreren Bewegungen. So kann man die Grundtechniken des Stils möglichst genau verinnerlichen, ohne dabei von der Anwendung im Kampf abgelenkt zu werden. Erst später wird die Anwendung der Techniken in den Vordergrund gestellt. Der Freikampf ist dann die letzte Stufe des Lernens«, meint Meister Zhao mit leichtem Lächeln. »Wenn du willst, zeige ich dir morgen, wie die Anwendung geht. Und ich denke, wenn du weiter so ausdauernd bist wie beim 200-mal-Kicken, wirst du irgendwann auch eine Taiji-Meisterin werden.«
    »Wirklich?« Ich starre ihn mit einem merkwürdigen Herzklopfen an. Eine Taiji-Meisterin zu werden klingt wie ein Traum für mich.
    »Aber ganz sicher!« Meister Zhao legt mir seinen Arm um die Schultern: »Also, bis morgen um 6:00 Uhr!«
    Seit diesem Tag lerne ich Taiji von Meister Zhao. »Wir müssen mit den Grundlagen beginnen, vor allem mit den ›Chi‹-Übungen«, meint er.
    »›Chi‹ bedeutet so viel wie Lebensenergie – der Fluss des Lebens, der uns alle speist. Wenn dein Chi richtig fließt, bleibst du gesund. Außerdem wird dann dein Taiji viel wirkungsvoller.«
    Nach den Grundlagen übe ich die Mulan-Form und Meister Zhao erklärt mir die praktische Anwendung der Techniken, die in den einzelnen Bewegungen versteckt sind.
    »Hast du aber ein Glück!«, sagt Papa am Telefon ziemlich neidisch, während ich mir meinen Muskelkater an den Beinen massiere. »Taiji zu üben erfordert viel Willensstärke, harte Arbeit und einen guten Shi Fu. Jetzt hast du selbst einen sehr guten Shi Fu gefunden und trainierst auch hart.

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