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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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und den anderen, die Selbstgedrehten oder die Marlboros rumgegangen waren, nur eben Stefan nicht, weshalb er auch nie gekifft hat und in bestimmten Kreisen gar nicht mitreden kann.
    Vielleicht liegt sein Nichtrauchertum auch daran, dass er seinen Großvater, Oppa Fritz, ein paarmal beinahe hat ersticken sehen, jedenfalls ist Stefan immer davon ausgegangen, dass sein Oppa kurz vorm Ersticken war, wenn er im Sessel saß, sein Gesicht tiefrot anlief, der Kopf beim Husten nach hinten fiel und seine Beine zu zucken anfingen, was allerdings, wie Omma Luise erst sehr viel später, lange nach Oppa Fritzens Tod, versicherte, gar nicht vom Rauchen gekommen ist. Nur, wovon es gekommen ist, hat sie dann auch nicht verraten, das ist ja schließlich auch schon sehr lange her, also fast schon gar nicht mehr wahr. Ergebnis ist jedenfalls, dass Stefan niemals einen Hang zu Zigaretten entwickelt, sich deswegen aber oft irgendwie unterlegen gefühlt hat. Mit vierzehn, fünfzehn, sechzehn wirkte Rauchen cool, abgeklärt und absolut unerlässlich,wenn man dazugehören wollte, und noch heute fragt er sich, ob es ein Zeichen von Stärke ist, dass er es nicht angefangen hat, oder ein Zeichen von Feigheit, weil er nicht erwachsen werden wollte, denn das, da kann es keine zwei Meinungen geben, wollte er eindeutig nicht. Charlie hat das schon vor vielen Jahren erkannt, womit wir, denkt Stefan, während Toto Starek sich in den Verkehr auf der A   40 einfädelt, mal wieder bei Charlie wären. Ich kann nicht mal an so etwas Ekelhaftes wie Zigaretten denken, ohne irgendwann bei ihr zu landen. Es wird Zeit, dass ich meine Jobs und Besuche hier durchziehe und wieder verschwinde. Das ist alles Vergangenheit, und die zieht dich runter, und dann kommst du nie wieder hoch.
    Um sich abzulenken, sieht er sich im Wagen um. Da liegen alte Prospekte im Fußraum, zwei oder drei leere Bierdosen, zerknüllte Chipstüten und was sich sonst noch ein kreativer Requisiteur beim Film ausdenken würde, um den Fahrer des Wagens als schlampigen Chaoten zu charakterisieren.
    Toto Starek ist tatsächlich ein Chaot, aber eigentlich ist er ein Getriebener, einer, der keine Ruhe findet, keine Ruhe und keine Freunde. Außer Diggo, der ihn immer behandelt hat wie den letzten Dreck, aber jeden verprügelte, der Toto irgendwas wollte. Also hat man Toto immer mit durchgeschleppt, obwohl er allen auf die Nerven gegangen ist mit seinem Gelaber. Mit einsfünfundsiebzig ist Toto weder groß noch klein, seine Aknenarben halten sich in Grenzen, auch wenn der Nikotingenuss seit dem dreizehnten Lebensjahr sich nicht gerade positiv auf Teint und Hautbeschaffenheit ausgewirkt hat und er die dicken Finger eines Mannes hat, der es gewohnt ist, seine Hände zu benutzen.
    »Und?«, fragt Toto unvermittelt. »Wie ist?«

    »Was jetzt?«
    »Beim Tenholt. Starke Hütte, was?«
    »Nicht schlecht.«
    »Ja, komm, jetzt lass mal hier nicht den Weltmann raushängen. In München ist so was natürlich Standard, aber der Tenholt hat schon Glück gehabt.«
    »Na ja, was heißt Glück …« Stefan fragt sich, was Toto Frank Tenholt unterstellen will.
    »Sagen wir mal so«, fährt Toto fort, »er hat sich den Kasten nicht von eigener, ehrlicher Arbeit gekauft, das steht mal fest.«
    »Ja und?«
    »Das kommt doch alles von der Ollen. Ich dachte immer, nur Frauen heiraten reich. Aber heute ist eben alles möglich.«
    »Ist doch scheißegal, Toto.«
    »Hätte ich auch gemacht, klare Sache! Wär ja blöd, so was nicht zu machen. Ich sage nur, der hat Glück gehabt, der Tenholt. Doppelt quasi. Geile Hütte, geile Olle. Ich meine, guck sie dir an, die Karin. Zweiundvierzig, zwei Kinder, aber ’ne Figur wie ’ne Zwanzigjährige!«
    Inhaltlich ist Toto voll zuzustimmen, doch ist es Stefan unangenehm, die erotischen Vorzüge der Frau eines guten Freundes ausgerechnet mit einem wie Toto Starek zu besprechen. Das hat so was Umkleidekabinenartiges, Männerbündisches. Man kann Karin tatsächlich kaum ansehen, ohne in schmutzige Gedanken abzugleiten, aber Stefan hofft dann doch, dass seine Gedanken weniger schmutzig sind als die von Toto Starek. Oder dass schmutzig bei ihm, Stefan, was anderes bedeutet als bei Toto, also irgendwie weniger schmutzig ist oder, Herrgott, was weiß er denn, Fakt bleibt, dass dies kein gutes Gesprächsthema zwischenihnen ist. Zumal Stefan sein schlechtes Gewissen dabei in die Quere kommt wegen der Sache damals.
    Toto zieht an seiner Zigarette. »Ich meine, unsereiner kommt ja an so eine

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