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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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dem Weg zu Omma Luise Brötchen kaufen können, in einer dieser Billig- SB – Bäckereien. Dann würde er jetzt vielleicht wieder bei Frank Tenholt auf der Terrasse sitzen, Karin käme herein, sie würden sich sehr nett unterhalten, und alles wäre in Ordnung.
    Er steigt aus, und es kommt ihm so vor, als sei die Hitze schlimmer geworden, was aber wohl nicht daran liegt, dass die Temperatur angestiegen ist, nein, die Hitze hat hier nur eine andere Konsistenz, man kann sie greifen, beziehungsweise, die Hitze selbst greift einem direkt ins Gesicht.
    Toto geht auf ein Haus zu, das auf Stefan noch heruntergekommener wirkt als die anderen, aber wahrscheinlich liegt das nur daran, dass dieses genau das Haus ist, welches sie jetzt betreten sollen, da lenkt die Erwartung das Urteil. Reiß dich zusammen, denkt Stefan, so schlimm ist es nun auch nicht, du bist ein Einheimischer, dir werden sie nichts tun, und überhaupt, was soll der Dünkel, bist du in München versaut worden und total abgehoben, oder was?
    Zwei Jungs kommen ihnen entgegen, höchstens zwölf oder dreizehn Jahre alt. Sie sehen aus, als kämen sie direkt von einem Casting für einen Problemfilm. Die Jeans hängen ihnen in den Kniekehlen, die T-Shirts sehen aus wie Eishockey-Trikots, nur ohne Schulter- oder sonstige Polster, und den Schirm ihrer Basecaps haben sie tatsächlich nach hinten gedreht. Solche Kinder sieht man ständig in irgendwelchen Dokusoaps, wandelnde Klischees, Sinnbilder des Niedergangs, des frühen Endes der Kindheit in den bildungsfernen Schichten, und jedes Mal, wenn Stefan beim Zappen in so eine Sendung gerät, denkt er, so etwas gibt es doch gar nicht, das ist alles übertrieben, oder zumindest sind das extreme Einzelfälle.
    An Toto gehen sie vorbei, und Stefan nimmt sich vor, hier von Anfang an freundlich zu sein, durch nichts zu einer aggressiven Grundstimmung beizutragen, ja, im Gegenteil, vielleicht kann man hier ein kleines Zeichen setzen, dass man seiner Umwelt stets freundlich zu begegnen hat, dann können auch die Reaktionen der Umwelt nur freundlich sein, also setzt er ein freundliches Lächeln auf, das den beiden Jungs nicht verborgen bleibt. Als Stefan ihnen dann auch noch zum Gruße zunickt, bleibt der eine stehen und stoppt den anderen, indem er ihm den Handrücken auf die Brust schlägt. Don Quichotte und Sancho Panza, denkt Stefan.

    »Ey, was grinst du, Alter?«
    Don Quichotte stellt sich so, dass Stefan auf dem schmalen Weg zwischen den beiden verwilderten Rasenstücken vor dem Haus nicht an ihnen vorbeikommt.
    »Euch auch einen schönen Tag.«
    »Ey, was labers’ du für Scheiß?«
    »Ich habe nur freundlich gegrüßt.«
    »Bist du schwul, oder was?«
    »Nein, ihr?«
    »Ey, willz du sofort auf die Fresse, oder soll ich dir erst in den Arsch treten?«
    »Komm, hör auf, ich will keinen Ärger«, sagt Stefan und versucht an den beiden vorbeizukommen.
    »Wenn du keinen Ärger willst, dann grins die Leute nich an, als ob du Ärger willst oder wie so’n Schwulen!«
    »Genau!«, meldet sich Sancho Panza jetzt auch mal zu Wort.
    Don Quichotte kommt einen Schritt auf Stefan zu und tippt ihm mit dem Finger auf die Brust. »Weiß du, was mein Bruder mit dir macht, du Arsch?«
    »Lass mich einfach durch, und dann ist gut.«
    »Ey, mein Bruder, der fickt dich in den Arsch, dass du nicht mehr sitzen kannst!«
    Jetzt gilt es, den Ball flach zu halten, nicht unnötig zu provozieren. Aber andererseits kann man sich nicht von zwei minderjährigen Witzfiguren in die Enge treiben lassen, denkt Stefan, und übermorgen bin ich wieder sechshundert Kilometer weit weg, also sagt er: »Ach, dein Bruder ist also schwul?«
    Don Quichotte läuft rot an und versucht, Stefan mit der Brust zu rammen wie beim Pogo, trifft allerdings nur eine Region knapp oberhalb von Stefans Gürtelschnalle. »Ey, passauf, was du sachst, du Arschloch, ich töte dich, verstehst du? Ich töte dich, wenn du noch ein Wort sachs, ich mach dich fertig und schneid dir die Eier ab und schmeiß die in die Aschentonne, da kannst du drauf wetten, du Penner!«
    »Und ich schaff die Leiche weg!«, bietet Sancho Panza an.
    Da muss Stefan nicht nur grinsen, sondern laut auflachen. »Ey, sach mal«, kommt es aus ihm, »habt ihr überhaupt schon Haare am Sack? Könnt kaum übern Tisch gucken und reißt die Schnauze auf wie Graf Koks von der Gasanstalt! Geht mir aus der Sonne oder ich verklapp euch in dem Gulli dahinten, comprende?«
    In den folgenden Sekunden angespannter Stille

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