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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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gar nicht ran. An so eine schöne, saubere Frau. Ich weiß auch nicht, wieso ich nur die Weiber abkriege, die aussehen, als würden sie sich nicht waschen.«
    Selbst auch mal ein oder zwei Gedanken an Körperhygiene verschwenden könnte helfen, denkt Stefan.
    »Ey, ich mein, ich bin kein Adonis oder so, aber die erzählen einem doch immer was von inneren Werten. Oder? Frauen geht es doch nicht so sehr um das Äußere, oder?«
    »Das war mal«, sagt Stefan.
    »Dabei seh ich gar nicht schlecht aus. Du solltest mich mal sehen, wenn ich mich zurechtmache. Ich meine, da muss man als Mann ja aufpassen, aber bisschen was Nettes angezogen, und ich bin gar nicht so schlimm, aber an eine wie die vom Tenholt komme ich nicht ran. Sind schon komisch, die Weiber. Ist das bei euch in München auch so?«
    »Bei uns in München?«
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Na ja, ich dachte, nach zehn Jahren bist du doch mehr Münchener, oder? Das ist doch hier alles nix mehr für dich, oder?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ach nee, jetzt guck dir die Scheiße an!«
    Toto Starek zeigt nach vorne. Die Bremslichter der vor ihnen fahrenden Wagen leuchten auf. Schon Kilometer vor dem Ortseingang Dortmund kommen sie in einen Stau.
    »Ist doch normal, hier«, sagt Stefan.
    »Samstagmittag? Mann, ich hab echt die Schnauze voll! Die werden nicht fertig mit dieser beschissenen Brücke davorne, und jetzt kommst du hier schon am Wochenende nicht mehr durch! Dabei ist noch gar keine Saison. Ich mein, wenn die Zecken spielen, ist ja klar, aber an einem ganz normalen Samstag? Na ja, ich hab Zeit.«
    Im Schritttempo geht es weiter. Die Sonne brennt vom Himmel. Im Wagen wird es heiß. Stefan kurbelt das Fenster herunter.
    »Wie ist das eigentlich da unten«, nimmt Toto den Gesprächsfaden wieder auf, »wenn du sagst, dass du von hier kommst?«
    »Wie soll das sein?«
    »Die gehen doch bestimmt noch davon aus, dass bei uns die Briketts durch die Luft fliegen.«
    »So blöd sind die ja nun auch nicht«, sagt Stefan und denkt: manche schon.
    »Na ja, die haben ja auch recht. Ist ja wirklich scheiße hier.«
    »Wieso?«
    »Na, guck mal, keine Berge hier, keine See, keine Arbeit. Noch nicht mal Landschaft, wenn man’s genau nimmt. Ich meine, Alpen oder so was, das ist schon ein Argument, landschaftlich gesehen, und das ganze flache Zeug im Norden auch. Aber wir sind irgendwie dazwischen. Das ist doch alles nichts! Und dann die ganzen hässlichen Häuser und die alten Zechen und so. Jetzt pellen sie sich einen drauf und machen da Ballett oder was weiß ich, aber mal ehrlich, wer braucht das schon, ist doch alles scheiße.«
    » DAS ist genau das, was wir brauchen, Toto!«, sagt Stefan. »Noch ein paar Idioten, die sich ihre eigene Heimat madig machen. Ist doch zum Kotzen, dass man diese Gegend immer am meisten vor den eigenen Leuten in Schutz nehmen muss.«

    »Was denn, Heimat!«, höhnt Toto Starek. »Wer ist denn hier weggegangen?«
    »Manchmal sieht man die Dinge klarer, wenn man etwas Abstand gewonnen hat.«
    Toto lacht. »Labern konntest du immer schon.«
    Stefan ärgert sich. Eigentlich müsste es umgekehrt sein: Er selbst müsste ein bisschen herummäkeln und sich noch einmal die Gründe klarmachen, warum er hier weggegangen ist, mal abgesehen vom Beruflichen, nämlich die geistige Enge und das ganze Spießertum und die Unfreundlichkeit und das ganze Gelaber über Arbeit und Fußball und der Dreck und die hässlichen Bahnhöfe und die fehlende Landschaft (da hat Toto auf jeden Fall recht) und die niedrigen Häuser.
    Letzteres ist eine Nebensache, aber doch auffällig. Als er damals, bevor er wegging, mit einem Berliner Kollegen durch die Straße gegangen ist, in der er wohnte, und behauptete, ganz ähnlich sähen doch Straßen in Berlin aus, da hat der Kollege geantwortet, nee, die Häuser sind in Berlin höher, und von da an hat Stefan das alles mit anderen Augen gesehen, und er musste sagen, es stimmte. Die Häuser sind nicht so hoch, die Decken in den Häusern niedriger, auch in den Altbauten, die Straßen schmaler, alles wirkt wie geduckt und gedrängt. Er musste raus, wurde ihm klar, frei atmen, den Blick schweifen lassen, in zwei Stunden in den Alpen sein, da ist das Angebot aus München gerade recht gekommen. Außerdem waren seine Eltern gestorben und die Sache mit Charlie an einem Punkt angelangt, an dem man sich entscheiden musste. Stefan wurde klar, dass das nicht funktionieren konnte. Man kommt einfach

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