Sommerflammen
Sonnenbrand, dachte sie, während sie sich kritisch im Spiegel musterte. Sie spritzte sich noch mehr Wasser ins Gesicht. Dann legte sie sich mit einem nassen, kalten Handtuch über dem Gesicht aufs Bett und wartete, bis die Tablette und die Kälte ihre Wirkung taten.
Sie hatte überreagiert und würde sich bei ihrem Vater entschuldigen, dass sie sich in sein Privatleben eingemischt hatte. Denn das gehörte sich nicht. Außerdem erwartete sie von einem gewissen Feuerspringer, dass er gefälligst heil nach Hause zu kommen hatte.
Sie warf erneut einen prüfenden Blick auf ihr Gesicht. Jetzt ging es so einigermaßen. Sie war zwar nicht gerade in Topform, sah aber auch nicht aus, als hätte sie die letzten zwanzig Minuten auf dem Boden gelegen und geheult wie ein kleines Kind. Als sie zur Brandzentrale hinüberging, um sich über den Stand der Dinge zu informieren, kam Special Agent DiCicco auf sie zu.
»Ms. Tripp.«
»Hören Sie, ich weiß, Sie tun nur Ihre Arbeit. Aber wir haben zwei Einheiten da draußen, und ich bin auf dem Weg in die Zentrale. Ich habe keine Zeit, noch einmal zu wiederholen, was ich längst gesagt habe.«
»Es tut mir leid, aber ich werde Sie trotzdem sprechen müssen. Sie sowie alle anderen Kollegen und Angestellten des Fliegerhorsts. Die sterblichen Überreste, die Sie gestern gefunden haben, wurden als Dolly Brakeman identifiziert.«
»Verdammt!« Rowan verspürte eine heftige Übelkeit und presste ihre Fingerspitzen gegen die Schläfen. »Verdammt! We ist es passiert? Wie ist sie gestorben?«
»Da einige Details bereits in den Abendnachrichten verbreitet werden, kann ich Ihnen sagen, dass ein Genickbruch die Todesursache war. Wahrscheinlich infolge eines Sturzes.«
»Ein Sturz? Da muss man aber schon ziemlich dumm stürzen. Das war bestimmt kein Unfall. Nicht, wenn sie weit weg von ihrem Fahrzeug gefunden wurde.«
DiCiccos Miene blieb undurchdringlich. »Wir ermitteln wegen Mordes und Brandstiftung. Ihre spontane Einschätzung hat sich in beiden Punkten als absolut richtig erwiesen.«
»Und genau das macht mich verdächtig.«
»Ich streiche niemanden vorschnell von der Verdächtigenliste, aber Sie haben für den entsprechenden Zeitraum ein Alibi. Andererseits gab es zwischen Ihnen und dem Opfer Probleme. In dieser Richtung muss ich weiterermitteln.«
»Nur zu! Ich habe nie Streit mit ihr gesucht. Hätte ich ihr an dem vermaledeiten Tag, an dem sie Schweineblut verschüttet hat, eine reinhauen können, hätte ich es auch getan. Sie hatte es verdient. Und für das mit unserer Ausrüstung hätte sie angeklagt werden und eine Zeit im Gefängnis verbringen müssen. Aber deswegen hat sie nicht den Tod verdient.«
Rowan verstummte, als ein Track schlingernd auf sie zuschoss. Sie packte DiCicco am Arm, um sie zurückzu-reißen, und diese tat bei Rowan genau dasselbe. Der I ruck kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Ro-ter Dreck wirbelte auf.
»Meine Güte! Was zum Teufel …?« Als sie den Mann erkannte, der aus dem Track sprang, verstummte sie. Es war Leo Brakeman, Dollys Vater. »Meine Tochter ist tot.« Er stand da und hatte die fleischigen Hände so fest zu Fäusten geballt, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Kr zitterte am ganzen Körper, sein breites, verhärtetes (iesicht war puterrot.
»Mr. Brakeman, es tut mir leid.«
»Sie sind dafür verantwortlich. Bis auf ein paar verkohlte Knochen ist nichts mehr von ihr übrig, und Sie sind dafür verantwortlich.«
»Mr. Brakeman.« DiCicco trat zwischen Rowan und Brakeman, aber Rowan trat zur Seite und verzichtete auf ihren Schutz. »Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass wir alles Menschenmögliche unternehmen werden, um den Mörder Ihrer Tochter zu fassen. Sie sollten lieber zu Ihrer I ‘rau und Ihrer Enkelin nach Hause gehen.«
»Sie werden alles vertuschen. Ihr steckt doch alle unter einer Decke. Ohne sie wäre meine Tochter noch am Leben.« Als er mit dem Finger auf sie zeigte, spürte Rowan die entsetzliche Trauer hinter seiner Wut, die sich ihr wie ein Dolch ins Herz bohrte.
»Sie haben dafür gesorgt, dass Dolly gefeuert wurde, weil Sie einfach nicht an Jim Brayners Tod erinnert werden wollten. Sie haben dafür gesorgt, dass Dolly gekündigt wurde. Und wenn Sie meine Tochter nicht eigenhändig umgebracht haben, dann haben Sie den Mord in
Auftrag gegeben. Sie halten sich wohl für ganz was Besonderes?«, schrie er Rowan an. »Sie bilden sich ein, in die Fußstapfen Ihres Vaters treten und die Leute herumschubsen zu
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