Sommerflammen
der Drache die Zähne fletschte und heiser knurrte, während die Erde bebte. Sie rannte den Berg hinauf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie bahnte sich einen Weg durch dichte Rauchwolken. Sie rief nach Jim und suchte planlos nach ihm. Feuer loderte an den Bäumen empor, fegte wie bei einem Totentanz über den Waldboden. Und über das Toben der Flammen hinweg rief jemand ihren Namen. Sie folgte der Stimme, antwortete ihr, bis ihre Kehle brannte, stolperte mitten ins Reich der Finsternis hinein. Verkohlte Äste ragten aus Brandinseln, winkten sie heran wie knochige Finger. Totholz ragte vor ihr auf und schien sich hinter einer Wand aus Rauch hin und her zu wiegen, während die verbrannte Erde unter ihren Füßen zerbarst.
Dann wurde es plötzlich ganz still, so als hielte alles den Atem an. Sie stand in dieser Laudosigkeit, entsetzt und desorientiert. Kurz war ihr, als sei sie in einem Schwarz-Weiß-Foto gefangen. Nichts bewegte sich, auch nicht, als sie weiterrannte. Der Boden schwieg unter ihren Füßen. Sie sah ihn am Boden liegen, dort, wo das Feuer bereits alles verbrannt hatte. Er sah nach Westen, als wollte er den Sonnenuntergang beobachten. Ihre Stimme hallte in ihrem Kopf wider, als sie seinen Namen rief. Schwindelig vor Erleichterung ließ sie sich neben ihn fallen.
Jim, Gott sei Dank!
Sie zog ihr Funkgerät hervor, aber wie alles um sie herum schwieg es. Ich habe ihn gefunden! Wieso antwortet denn niemand? Warum hilft mir niemand?
»Mir kann niemand mehr helfen.«
Sie fuhr entsetzt zurück, als Jims Stimme die Stille durchbrach, er hinter seiner Schutzmaske die Augen aufschlug und den Mund zu einem grausigen Grinsen verzerrte.
»Wir werden verbrennen. Wir werden alle verbrennen.«
Flammen züngelten unter seiner Maske hervor. Als sie tief Luft holte, um laut zu schreien, griff er nach ihrer Hand. Feuer verschmolz ihre Haut mit der seinen. Sie schrie und schrie, während die Flammen sie beide verschlangen.
Rowan stieg mühsam aus dem Bett und stolperte zum Fenster. Sie schob es auf und rang gierig nach frischer Luft. Das Gewitter war nach Osten abgezogen und hatte Regen und Donner mitgenommen. Irgendwann während ihres furchtbaren Albtraums hatten sich die Wolken aufgelöst. Sie betrachtete die Sterne und fand Trost in ihrem klaren Funkeln.
Das war ein schlimmer Tag, dachte sie. Ein schlimmer Tag, gefolgt von einer schlimmen Nacht. Aber es war vorbei.
Trotzdem ließ sie das Fenster offen stehen. Der sanfte Wind strich durchs Zimmer. Sie kehrte ins Bett zurück, starrte hinaus und betrachtete die Sterne.
Als sie gerade eindösen wollte, sprang sie ein Gedanke aus ihrem Albtraum an. Sie wollte ihn verdangen, sich stattdessen auf die Sterne konzentrieren, und prägte sich ihr kühles, klares Funkeln ein, bevor sie in einen ruhigen, traumlosen Schlaf fiel.
Am nächsten Vormittag sprang Rowan mit einem Aufräumteam über dem Flathead ab. Obwohl dankbar für den Einsatz und die damit verbundene Routine, war sie doch enttäuscht, dass Gull und sein Team schon zusammenpackten, als sie landete.
In der Zwischenzeit war Special Agent DiCicco nicht untätig. Sie traf sich mit Quinniock in einem Diner an der Autobahn. Er nahm ihr gegenüber Platz und nickte: »Agent.«
»Lieutenant. Danke, dass Sie mich treffen.«
»Kein Problem. Für mich bitte nur einen Kaffee«, sagte er zu der Kellnerin.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich direkt zur Sache kommen«, hob DiCicco an, nachdem die Kellnerin die bereits auf dem Tisch stehende Tasse umgedreht, Kaffee eingeschenkt und sie wieder verlassen hatte.
»Das spart Zeit«, bemerkte Quinniock.
»Sie kennen die Gegend und die Leute besser als ich. Sie kennen ihre Beziehungen zueinander und die aktuellen Auseinandersetzungen. Außerdem haben Sie das Opfer erst kürzlich zu dem Vandalismus auf dem Fliegerhorst befragt. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Unser Department hilft gern, zumal mich Ihre direkte bitte nicht zwingt, mich aktiv einzumischen. Oder hinter Ihrem Rücken zu agieren, falls Sie das abgelehnt hätten.«
»Das spart Zeit«, wiederholte sie. »Und Ärger. Sie haben einen guten Ruf, Lieutenant.«
»Danke, gleichfalls. Und laut Rowan Tripp kleiden wir uns beide makellos.«
DiCicco lächelte beinahe unmerklich. »Dann haben wir ja etwas gemeinsam.«
»So wie es aussieht, haben wir beide bereits Nachforschungen angestellt. Meiner Meinung nach ist das Ihr Fall, Agent DiCicco, aber das Opfer ist einer meiner Leute. Wir kommen schneller zum Ziel,
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