Sommerflammen
wenn sich jeder auf seine Stärken konzentriert. Warum sagen Sie mir nicht, wonach Sie suchen? Vielleicht kann ich Ihnen ja behilflich sein.«
»Zunächst einmal möchte ich auf das Opfer zu sprechen kommen: Ich konnte mir inzwischen ein gewisses Bild von Dolly machen und bin zu dem Schluss gekommen, dass Dolly Brakeman eine zwanghafte Lügnerin war. Und dass sie sich, wenn man so will, auch selbst belogen hat.«
»Dem kann ich nicht widersprechen. Sie war sehr impulsiv, wollte immer gleich mit dem Kopf durch die Wand. Sie neigte dazu, Arger in sich aufzustauen und zu explodieren, sobald jemand einen falschen Knopf drückte.«
»So wie nach Jim Brayners Tod«, sagte DiCicco. »Damals wäre sie doch zu Hause, bei ihrer Familie, am besten aufgehoben gewesen.«
»Sie hatte Streit mit ihrem Vater.«
DiCicco lehnte sich zurück. »Ich habe mir so etwas gedacht.«
»Mrs. Brakeman hat mir das erzählt, als ich nach dem Vorfall auf dem Fliegerhorst mit ihr gesprochen habe. Dolly war nach dem Unfall völlig außer sich gewesen. Sie gestand ihren Eltern, schwanger zu sein und ihren Job verloren zu haben. Brakeman war alles andere als begeistert. Die beiden bekamen Streit, und er hat sie mehr oder weniger unmissverständlich aufgefordert, ihren Arsch zurück zum Fliegerhorst zu bewegen oder sich von jemand anderem aushalten zu lassen. Da hat Dolly ihre Sachen gepackt und ist verschwunden. Als ich etwas nachbohrte, erfuhr ich, dass sie fünfhundert Dollar mitgenommen hat, die Notreserve ihrer Eltern.«
»Mit fünfhundert Dollar kommt man nicht weit.«
»Ihre Mutter hat ihr hin und wieder Geld geschickt. Und als Dolly aus Bozeman anrief und in den Wehen lag, sind die Brakemans hingefahren und haben sich mit ihr ausgesöhnt.«
»Babys sind der ideale Kitt für angeknackste Beziehungen.«
»Dolly hat behauptet, zu Gott gefunden zu haben, und ging nach ihrer Rückkehr immer mit ihrer Mutter in die Kirche.«
»In die von Reverend Latterly. Mit ihm habe ich bereits gesprochen. Er hat mir gesagt, dass Leo Brakeman nicht zum Gottesdienst kommt.« Ihr fiel wieder ein, was Marge ihr bei Cookies und Limonade über den Reverend gesagt hatte. »Ich kann nicht behaupten, dass mir der Mann sympathisch ist. Er ist auf eine unterschwellige Weise aggressiv«, fügte sie hinzu, als Quinniock zustimmend nickte. »Er scheint zu glauben, dass Little Bear, Rowan Tripp und die anderen keinerlei Mitgefühl für eine verirrte See le haben. Ehrlich gesagt, sind mir da Leo Brakemans aufrichtiger Schmerz und seine unverstellte Wut lieber.«
»Irene Brakeman behauptet, er habe ihr, ihrem Mann und Dolly geholfen, mit der neuen Situation fertigzu-werden. Dolly verschwieg nämlich ihren Eltern bei dem telefonischen Hilferuf, dass sie das Baby in Bozeman zur Adoption freigegeben hatte. Die Vermittlungsagentur sei liir die Krankenhauskosten aufgekommen.«
»Sie wollte das Baby weggeben?«
»Nur Dolly weiß, was sie wirklich vorhatte. Aber als die Wehen begannen, hat sie sich jedenfalls weder mit den Adoptiveltern noch mit der Vermittlungsagentur in Verbindung gesetzt. Stattdessen ging sie in die Notaufnahme eines Krankenhauses am anderen Ende der Stadt und gab ihre Adresse in Missoula an. Bis die Adoptiveltern merkten, was los war, war sie längst über alle Berge. Ist das Kind erst einmal auf der Welt, kann die Mutter ihre Meinung ändern. So gesehen konnten die Leute nicht viel ausrichten.«
DiCicco schlug ihr Notizbuch auf. »Wssen Sie ihren Namen?«
»Ja. Ich gebe ihn Ihnen. Trotzdem glaube ich nicht, dass einer von ihnen Dolly verfolgt, sie ermordet und den Wald angezündet hat.«
»Wahrscheinlich nicht, aber es ist ein starkes Motiv.«
»Haben Sie noch immer Rowan Tripp in Verdacht?«
DiCicco lehnte sich zurück, als die Kellnerin vorbeieilte und ihr Kaffee nachschenkte. »Ich sage Ihnen, was ich von Rowan Tripp halte: Das Mädel hat Temperament. Sie ist ziemlich stark, körperlich wie geistig, und sie konnte Dolly noch nie ausstehen. Ihr Alibi ist ein Mann, mit dem sie derzeit ins Bett steigt. Männer lügen, wenn man ihnen Sex dafür anbietet.« DiCicco schwieg, um einen winzigen Teelöffel Zucker in ihren Kaffee zu rühren. »Dolly sagt, Rowan habe sie gehasst, weil Brayner sie fallen gelassen und stattdessen was mit ihr angefangen hätte. Aber sie hat gelogen«, fügte DiCicco hinzu, noch bevor Quinniock etwas sagen konnte. »Rowan Tripp dagegen hat nicht gelogen. Im Gegenteil, sie ist fast schon beleidigend ehrlich. Hätte man Dolly
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