Sommerflammen
gefährlich für Feuerspringer, aber dafür gibt es dort keine Bäume.«
»Was ist gefährlicher? Wasser oder Bäume?«
»Wenn man mitsamt der kompletten Ausrüstung im Wasser landet, geht man unter und kommt vielleicht nie wieder hoch. Wenn man unglücklich in den Bäumen landet, erhängt man sich unter Umständen oder bricht sich den Hals. Am besten man landet weder im Wasser noch in den Bäumen.«
»Ist Ihnen das schon mal passiert?«
»Ja, beides. Das Schlimmste ist, zu wissen, was kommt, während man noch versucht, es zu verhindern. Jeder Sprung, bei dem man mit dem Leben davonkommt, ist ein guter Sprung.«
Sie lehnte sich zurück. »Wusste ich’s doch. Ich bin mir sicher, dass Sie genau der Richtige für mein Projekt sind.«
»Warum?«
»Ich weiß, dass auf dem Fliegerhorst Führungen angeboten werden. Dass Besuchergruppen kommen und Fragen stellen dürfen. Doch ich habe da eine Idee speziell für Schüler. Die Kids sollen aus erster Hand erfahren, welche Voraussetzungen man für diesen Beruf mitbringen muss, worin er genau besteht. Sie sollen etwas von den mit dem Job verbundenen Risiken, aber auch von den lohnenden Momenten hören.«
»Sie möchten, dass ich vor Kindern spreche?«
»Ja. Ich möchte, dass Sie sie unterrichten. Bitte lassen Sie mich ausreden«, fügte sie hinzu, als er sie nur anstarrte. »Viele unserer Schüler stammen aus privilegierten Verhältnissen. Sie haben Eltern, die sie auf eine renommierte Privatschule schicken können. Jeder kennt die Zulies. Der Fliegerhorst liegt direkt vor der Tür. Aber was es bedeutet, ein Feuerspringer zu sein, wissen nur wenige.«
»Ich bin kein Feuerspringer mehr.«
»Lucas.« Ihr sanftes Lächeln erweckte die Grübchen zu neuem Leben. »Sie werden Ihr Leben lang Feuerspringer sein. Sie haben dieser Aufgabe Ihr halbes Leben gewidmet. Sie wissen, was sich über die Jahre geändert hat. Sie haben Waldbrände im gesamten Westen der USA bekämpft. Sie haben der Schönheit und dem Schrecken ins Auge geblickt. Sie waren mittendrin.«
Sie ballte eine Hand zur Faust und legte sie aufs Herz. »Einige dieser Kinder haben ein ziemlich festgefahrenes Weltbild: Die Drecksarbeit sollen bitte schön andere machen. Leute, die nicht Geld oder die Intelligenz haben, aufs College zu gehen und einen lukrativen Job zu bekommen. Die Umwelt? Sollen sich doch andere darum kümmern!«
Als sie gesagt hatte, dass er sein Leben lang Feuerspringer sein würde, hatte er angebissen, und das war ihr nicht entgangen. »Ich wüsste nicht, was ich daran ändern könnte.«
»Wenn sie Ihnen zuhören, Ihnen Fragen stellen dürfen, und Sie ihnen alles vom Training bis zur Brandbekämpfung erklären, werden einige anschließend etwas nachdenklicher sein.«
»Das ist Ihr Job: Auch wenn Sie als Direktorin nicht mehr selbst unterrichten, werden Sie Ihr Leben lang Lehrerin sein.«
»Ja, in diesem Punkt geht es uns beiden ähnlich.« Sie sah ihn an, während sie an ihrem Drink nippte. »Ich wollte mit dem Ablaufoffizier des Fliegerhorsts reden. Mit Erlaubnis der Eltern würde ich gern mit einer oder mehreren Gruppen ein Training machen. Ein Training in Kurzform sozusagen. Vielleicht über ein Wochenende nach der Waldbrandsaison.«
»Sie möchten sie so richtig hart rannehmen«, sagte er mit einem unmerklichen Lächeln.
»Ich möchte ihnen zeigen, dass die Männer und Frauen, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben, sich selbst sehr hart rannehmen. Fotos und Videos könnten … mir fällt bei dem Thema jedenfalls genug ein, was man mit den Schülern tun könnte«, sagte sie lachend. »Wir hätten den ganzen Sommer Zeit, das Projekt auf die Beine zu stellen.«
»Ich finde Ihre Idee gut. Aber ich bin kein guter Redner.«
»Was das anbelangt, helfe ich Ihnen gern. Außerdem wäre es mir am liebsten, wenn Sie sich einfach so geben, wie Sie sind. Mehr ist gar nicht nötig, glauben Sie mir.«
Sie griff nach den Chips, die die Kellnerin gebracht hatte, während sie ihm ihren Plan weiter erläuterte.
Ella hatte Lucas an der Angel. Ihre Idee und die Leidenschaft, mit der sie sie vertrat, überzeugten ihn. »Ich kann es ja mal versuchen und schauen, wie es läuft.«
»Das wäre toll. Ich glaube wirklich, dass wir etwas nachhaltig damit bewegen könnten.« Sie bestellte noch einen Drink. »Doch lassen Sie mich vorab etwas klarstellen: Ich war achtundzwanzig Jahre verheiratet. Ich habe erst mich und dann meine Kinder entwurzelt, um meinem Mann zu folgen. Ich habe ihn geliebt und, bis
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