Sommerflimmern (German Edition)
und verschwinde hinter dem Ehrenmal. Er ist jetzt nicht mehr zu sehen. Ich halte kurz an, um nach Luft zu schnappen. Wenn ich nur wüsste, von welcher Seite er kommt. Entweder laufe ich ihm jetzt direkt entgegen, oder …
»Charlotte.«
Da ist er schon. Verdammt. Das erste Grummeln ist zu hören, die dunkelgrauen Wolken bilden nun eine dichte tiefhängende Decke.
»Bleib, wo du bist!«, stoppe ich ihn, als er auf mich zugeht.
Er bleibt stehen, hebt die Hände, als würde ich eine Pistole auf ihn richten. Ich wünschte, ich hätte eine. Wenigstens eine mit Farbpatronen. Ich würde ihm ein hübsches Andenken auf sein dämliches weißes T-Shirt schießen.
»Charlotte, ich weiß, was du gesehen hast. Es war …«
»Ich weiß selber, was ich gesehen habe! Verschwinde!«, kreische ich.
Die ersten Regentropfen fallen, der Himmel leuchtet grell auf, gefolgt von einem mächtigen Donner.
»Das ist einfach lächerlich! Jetzt hör mir …« Seine verärgerte Stimme mischt sich unter das Grollen des Donners.
»Lächerlich?! Das hier ist lächerlich! Was machst du überhaupt hier? Ist euch der Champagner ausgegangen? Oder …«
»Mein Gott, Charlotte, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mit Frau …«
»Ahhh! Jetzt sag mir bloß nicht auch noch ihren Namen!«
Schnell drücke ich die Hände fest auf meine Ohren, summe laut vor mich hin und sehe dabei zu, wie der Regen, der jetzt richtig losprasselt, Muster auf meine Schuhe malt.
Ich spüre, wie Juans warme Hand sich um mein linkes Handgelenk legt. Ich blicke auf, presse die Hände aber noch fester auf meine Ohren.
»Lass mich!«, zische ich ihn an.
Der Regen gleicht mittlerweile einem Wolkenbruch, meine Kleider sind bis auf die Haut durchnässt. Und statt mich zu lassen, wirft Juan sein Jackett zu Boden und greift auch noch mein rechtes Handgelenk.
Aber nicht mit mir. Mit einem Ruck befreie ich mich und presche die kleine begrünte Anhöhe hoch, die direkt in ein kleines Waldstück führt.
Hinter mir höre ich Juans Fluchen aufholen. Ich muss noch schneller machen.
»Verdammt! … Charlotte!«
Während ich über Äste und Farn springe, redet er auf mich ein.
»Charlotte! Das war doch nur Frau Franke! Ich …«
»Halt die Klappe!«
Nicht weit vor mir kann ich das Ende des Waldes erkennen, dahinter müsste der Karpfenteich liegen, aber sicher bin ich mir nicht.
»Frau Franke ist die Galeristin vom 110! Sie …«
»Blödsinn! Die sah ganz anders aus!«
»Das war doch nur die Angestellte! Frau Franke ist die Inhaberin!«
»Na, herzlichen Glückwunsch! Toller Fang!«
»Was regst du dich eigentlich so auf? Du bist doch diejenige, die immer noch einen Freund hat! … Verdammt noch mal, nun bleib endlich stehen!«
Ich ignoriere seine Worte, erreiche das Ende des Waldes, der kleine See liegt vor mir. Ohne Nachdenken biege ich rechts ab, doch weit komme ich nicht. Juan holt mich ein und dreht mich an meinem Arm zu sich herum, ich rutsche auf dem nassen Grund fast zu Boden, doch Juan fängt mich auf und hält mich dann an beiden Armen fest. Ich öffne den Mund, aber sein Blick lässt mich verstummen, bevor ich ein Wort herausgebracht habe. Seine glühenden Augen sind zusammengekniffen, sein Gesicht nähert sich meinem bis auf wenige Zentimeter.
»Ich habe ein verdammtes Bild verkauft! Das ist alles! Ein Glückwunsch, eine Menge dummes Gefasel und Champagner, ja! Wäre Milchschaum-Latte besser gewesen?!Und wenn du es genau wissen willst, Frau Franke ist eine dumme Kröte, die mir schon nach zwei Minuten den letzten Nerv geraubt hat!«
Wir sehen uns keuchend an, der warme Regen rinnt über unsere Gesichter, der Griff seiner Hände wird fester. Ich wehre mich nicht. Der Ausdruck in seinen Augen verändert sich. Sie glühen noch immer, er sieht mich herausfordernd an, doch es ist nicht Wut, die mich jetzt fixiert.
»Charlotte«, flüstert Juan mit heiserer Stimme und rückt näher, bis sein Mund meinen fast berührt.
Seine Hände lösen sich und streichen langsam über die nasse Haut meiner Arme und Schultern. Ich zittere, aber mir ist nicht kalt. Unvermittelt schiebt er mich eine Armlänge von sich, lässt mich los und betrachtet mich. Er sieht an mir herunter, sieht mein durchnässtes Kleid, das eng an meinem Körper klebt, sieht über meine nackten Beine, wieder über das Kleid bis zu meiner rechten Schulter, wo er kurz verweilt. Dann macht er einen Schritt auf mich zu, hebt seine Hand und streift mir langsam einen der Träger meines Kleides über
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