Sommerflimmern (German Edition)
Alexander und auch mit deinen Eltern … Na ja, zumindest einigermaßen in Ruhe.«
Ich vergrabe mein Gesicht an Juans Hals, klammeremich an ihm fest und schließe die Augen bei dem Versuch, jeden trüben Gedanken beiseitezuschieben. Doch zu spät. Die Welle, die jetzt zusammenbricht, tut das nur über mir. Und diesmal sind es nicht Liebe und Leidenschaft, sondern ein wahnsinnig schlechtes Gewissen und das Gefühl, ein riesiges Chaos angerichtet zu haben. Und dieses Chaos heißt: mein Leben.
»Sei mir nicht böse, aber ich glaube, ich möchte jetzt lieber nach Hause«, sage ich, gebe ihm einen Kuss und löse mich langsam von ihm. Ich suche meine Sachen zusammen und beginne, mich anzuziehen. Höchste Zeit aufzuräumen, denke ich.
»Hey, alles in Ordnung?«, fragt Juan sanft.
»Ja …«, antworte ich und nuschle mir selbst ein »… bald« zu.
V or Annas Wohnung verabschieden wir uns und verabreden, uns erst am Flughafen wiederzusehen, damit ich am nächsten Tag genug Zeit habe, meine Sachen zu packen und mit meinen Eltern und Alexander zu sprechen.
Als ich die Wohnung betrete, ist alles still und dunkel. Anna ist noch unterwegs. Schon im Flur streife ich mir die feuchte Kleidung ab, gehe ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Als ich den Hahn aufdrehe und das heiße Wasser über mein Haar und mein Gesicht prasselt, muss ich unwillkürlich lächeln. Wie der warme Sommerregen im Treptower Park. Wahrscheinlich werde ich nie wiedereine Dusche nehmen können, ohne dass ich an Juan denken muss. Eine halbe Ewigkeit bleibe ich mit dem Gedanken an diesen Nachmittag unter der Dusche stehen. Letztendlich gibt der alte Wasserboiler als Erster auf, das Wasser kühlt ganz plötzlich ab, sodass ich schnell aus der Dusche springe und mich in ein großes Handtuch wickle. In Ruhe trockne ich mein Haar, putze mir die Zähne und ziehe mir mein Nachthemd über. Da es bei Anna sicher spät wird, lege ich ihr einen Zettel hin, dass ich ihr morgen früh alles erzählen werde.
Zum Schluss schließe ich noch alle Fenster, Vorhänge und Türen im Wohnzimmer. Dann krieche ich unter die Bettdecke. Aber nicht, um zu schlafen. Ich verschränke meine Arme hinter meinem Kopf, sehe mir die Muster der Schatten an Decke und Wänden an und lege los. Ich stelle mir vier Kisten vor. Eine Eltern-Kiste, eine Alexander-Kiste, eine Anna-Kiste und auch eine Juan-Kiste. Eigentlich sind es eher hübsch verzierte Holztruhen, so wie die in Annas Schlafzimmer. Ich fange mit der Alexander-Kiste an, überlege mir genauestens, was ich ihm sagen möchte und packe schließlich alles in die Kiste. Deckel zu, bis morgen. So mache ich es auch mit der Eltern-Kiste, genau wie mit der Anna-Kiste. Als Letztes steht die Juan-Kiste geöffnet da und wartet darauf, dass ich sie fülle. Für die brauche ich am längsten. Bis ich mir über ihren Inhalt klar bin, vergeht eine ganze Weile. Doch dann kann ich auch diesen letzten Deckel schließen und sinke bald in tiefen Schlaf.
I ch bin vor Anna wach. An diesem Morgen mache ich den Kaffee und natürlich reichlich warme Milch mit Schaum.
Während ich uns zwei Gläser abspüle, tapst Anna gähnend in die Küche.
»Na, du?« Sie drückt mich und setzt sich an den Küchentisch. »Wie geht’s dir?«, fragt sie dann und sieht dabei fast ein wenig schuldbewusst aus.
»Nachdem du mein Schicksal in deine Hände genommen hast, ich dann in einem Waldstück am Karpfenteich das erste Mal Sex hatte und heute nach Spanien auswandern soll, ohne dass irgendjemand, bis auf dich und Juan, davon weiß, geht es mir … ganz gut«, bemerke ich lächelnd.
»Ahh! Du hattest was? Echt? Und?«, rattert es aus Anna heraus.
Ich erzähle ihr alles.
»… Und weiß du, was komisch ist? Heute Nacht hatte ich wieder diesen seltsamen Traum, du weißt schon, den mit dem Leoparden. Aber diesmal war der gar nicht schlimm, ich bin nicht mal aufgewacht … Alles war wie immer, aber als die zwei Unbekannten mich, ähm, den Leoparden, überwältigen wollen, ist dieser viel kräftiger als die anderen Male. Ganz mühelos kann er sich gegen die beiden wehren. Zum Schluss sehe ich plötzlich durch seine Augen, als sei ich der Leopard, und kann kurz die Gesichter der beiden erkennen, bevor sie einfach im Nichts verschwinden. Und rate mal, wer das war … Ich selbst, zweimal. Komisch, oder?«
»Hm. Und du bist dieses Mal nicht schreiend aufgewacht?«
»Nein, ganz im Gegenteil, ich habe geschlafen wie ein Baby.«
Bevor Anna anfängt, ihre
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