Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
die Bauern in Not geraten sind.”
“Ich weiß, dass du Starbeck nicht verkaufen willst, Annis, lege dir jedoch dringend nahe, deinen Standpunkt zu überdenken.”
Ungehalten stand sie auf und entgegnete heftig: “Nein! Ein Grund für den desolaten Zustand von Starbeck ist, dass zwei Jahre lang kein Pächter dort gewohnt hat. Hast du wirklich alles versucht, um jemanden zu finden?”, setzte sie hinzu und dachte an Lord Ashwicks Äußerungen über Charles.
Charles schaute die Cousine an, wandte sofort verlegen den Blick ab und versicherte ihr heuchlerisch: “Selbstverständlich, Annis! Zu meinem Bedauern wollte jedoch niemand die vertraglichen Bedingungen akzeptieren. Aber so schlimm, wie die Sache aussieht, ist sie nicht. Mr. Ingram ist gewillt, Starbeck zu kaufen. Bitte, zieh sein Angebot doch in Betracht. Du hättest ein großes Problem weniger, wenn du seine Offerte annimmst. Ich muss jetzt fort”, fügte er hinzu, erhob sich, ging zur Cousine und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Es kostete Annis Überwindung, nicht zurückzuzucken. “Auf Wiedersehen, Charles”, murmelte sie verkniffen, schaute ihm hinterher, als er den Raum verließ, und setzte sich dann wieder. Sie konnte und wollte Starbeck nicht abstoßen, weil sie dann das Gefühl gehabt hätte, einen Teil ihrer Unabhängigkeit aufzugeben. Und das Misstrauen, das Ashwick gegen Charles gesät hatte, war, wie sie erschüttert feststellte, auf fruchtbaren Boden gefallen.
3. KAPITEL
D ie Geschwister Crossley waren zurückgekehrt und schwatzten unaufhörlich über ihren Aufenthalt bei Lady Anstey. Abends nahm man im “Granby” an einem Ball teil, nach dem Miss Lucy verkündete, Lieutenant Norwood habe sie am nächsten Tag zu einer Kutschfahrt am Nidd nach Howden eingeladen. Annis war unschlüssig, ob sie ihre Erlaubnis erteilen solle, wenngleich sie längst gemerkt hatte, dass sich zwischen Miss Lucy und dem Offizier etwas anbahnte. Allerdings sollte auch der leichtlebige Lieutenant Greaves mit von der Partie sein, und sie hatte große Bedenken, Miss Fanny könne Gefallen an ihm finden. Schließlich überwand sie die Bedenken und war einverstanden, da auch Sir Everard Doble an der Landpartie teilnehmen sollte.
Am folgenden Nachmittag brach man bei herrlichem Wetter auf. Angeregt unterhielten die Offiziere sich mit den beiden jungen Damen, derweil Sir Everard in einem Gedichtband las. Am Ziel angekommen, stieg man aus und schlenderte am Wasser entlang. Zufrieden bemerkte Annis, dass Sir Everard sich Miss Fanny angeschlossen hatte.
Plötzlich erblickte sie Lord Ashwick, der sichtlich in Gedanken versunken am Ufer stand und über den Nidd zur Dorfkirche von Howden schaute. Im gleichen Augenblick drehte er sich um und lächelte erfreut.
Rasch ging er auf Lady Wycherley zu, hielt vor ihr an und verneigte sich höflich. “Guten Tag, Madam”, sagte er freundlich. “Wie geht es Ihnen?”
“Danke, gut. Das hier ist ein hübsches Fleckchen Erde, nicht wahr?”
“Ja”, stimmte er zu. “Ich bin gern hier, wenn ich meine Ruhe haben will.”
Die Ironie war Annis nicht entgangen. Sie konnte jedoch nichts daran ändern, dass Miss Fanny und Miss Lucy mit ihrem Geplapper und Gelächter die friedliche Stille störten. “Dann sind Sie gewiss nicht erbaut darüber, dass wir jetzt da sind”, erwiderte sie trocken. “Folglich werde ich Sie allein lassen.”
“Nein, bitte, bleiben Sie, Madam”, forderte er sie rasch auf. “Meine Bemerkung war nicht so zu verstehen, dass ich mich über Ihre Anwesenheit ärgere. Im Gegenteil, ich würde es genießen, wenn Sie mir eine Weile Gesellschaft leisten.”
Annis spürte sich leicht erröten. “Nun gut, wenn ich Ihnen wirklich nicht ungelegen komme”, sagte sie zögernd.
“Setzen wir uns dort auf die Bank?”
Annis nickte, ging mit ihm zu der schlichten, im Schatten einer Trauerweide stehenden Holzbank und nahm Platz.
Adam ließ sich neben ihr nieder, schaute sie an und erkundigte sich: “Haben Sie sich inzwischen von dem unangenehmen Zwischenfall erholt, Madam?”
“Ja”, antwortete sie gleichmütig. “So schlimm war das Erlebnis nicht, als dass ich noch heute unter Nachwirkungen leiden würde.”
“Das freut mich zu hören. Allerdings machen Sie auf mich auch nicht den Eindruck, zimperlich und wehleidig zu sein.”
“Ich wäre wohl kaum fähig, meinen Weg im Leben zu gehen, wäre ich ein Kräutlein Rühr-mich-nicht-an!”
Schmunzelnd legte Adam den rechten Arm auf die Rücklehne der Bank
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