Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
“Außerdem ist sie erst seit einem knappen Jahr Witwe. Möglicherweise verlegt sie, wenn die Trauerzeit vorbei ist, ihren Wohnsitz nach London.”
“Sie hat mir immer leidgetan”, murmelte Edward. “Humphrey, dieser kränkelnde Verschwender, war nicht der richtige Mann für sie. Sie hätte nicht so früh heiraten dürfen. Das hat sie mit deiner Lady Wycherley gemein.”
“Wie kommst du darauf, von ‘meiner’ Lady Wycherley zu reden?”, fragte Adam kühl. “Das ist eine Unterstellung, die nicht der Wahrheit entspricht.”
“Nein?” Skeptisch schaute Edward ihn an. “Zum einen hast du dich im Theater ziemlich angeregt mit Lady Wycherley unterhalten, zum anderen sie dann vor den wütenden Leuten an der Zollschranke bewahrt.”
“Und drittens habe ich sie heute getroffen!”, warf Adam belustigt ein.
“Tatsächlich? Das beweist doch, dass du an ihr interessiert bist.”
“Es macht mir Freude, mit ihr zu plaudern und Mr. Lafoy damit zu ärgern. Ich bin sicher, es stört ihn empfindlich, zu wissen, dass sie hin und wieder Umgang mit mir hat.”
“Spielst du sie gegen ihn aus?”, fragte Edward befremdet.
“Nein, natürlich nicht”, antwortete Adam ehrlich. “Ich mag sie, sogar sehr.”
“Ich verstehe”, erwiderte Edward schmunzelnd.
“Nein, du verstehst gar nichts!”, entgegnete Adam amüsiert. “Komm nicht auf den Einfall, ich würde umgehend das Aufgebot bei dir bestellen! Sie hat durchblicken lassen, dass sie sich nicht wieder vermählen will, weil sie ihre Unabhängigkeit schätzt. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich von vielen Frauen.”
“Wenn ich an ihren verstorbenen Mann denke, begreife ich gut, dass sie jetzt eine Abneigung gegen die Ehe hat. Er war bei der Marine, ohne jedoch eine große Karriere zu machen. Wie es heißt, soll er seine Untergebenen schlecht behandelt haben, und nicht nur sie, sondern auch seine Frau. Sie muss sehr duldsam sein, da sie sich nicht gegen ihn aufgelehnt hat.”
Nun war Adam klar, weshalb sie sich gegen eine zweite Ehe sträubte. Es war ihm jedoch nicht erklärlich, warum sie den Baron überhaupt geheiratet hatte. Offenbar war sie damals noch sehr jung gewesen und hatte Geborgenheit gesucht.
“Hast du sie heute in Howden getroffen?”, fragte Edward neugierig.
“Ja”, bestätigte Adam. “Wir sind uns zufällig dort begegnet, wo ich oft mit Mary war. Lady Wycherley war in Begleitung ihrer Schützlinge und dreier Herren, zwei Offizieren und Sir Everard Doble, diesem Langweiler.”
“Angeblich hält er Ausschau nach einer begüterten Frau”, sagte Edward trocken. “Vielleicht schwärmt er für eine der beiden Schwestern. Ich bezweifele indes, ob eine der jungen Damen in Hansard Court eine gute Figur machen wird.”
“Ihre Mitgift wird dieses Manko gewiss ausgleichen”, meinte Adam auflachend und dachte wieder an Lady Wycherley. Sie strahlte etwas aus, das ihn, seit er sie kennengelernt hatte, so faszinierte, dass sie ihm ständig durch den Sinn ging. Ihre Offenheit und ihre Unbefangenheit gefielen ihm, und daher hatte er sich ihr gegenüber, als er über Mary sprach, ebenso aufgeschlossen gezeigt. Es war zwar nicht seine Art, über Gefühle zu reden, doch in diesem Fall hatte er die übliche Zurückhaltung fallen lassen.
“Hast du vor, in den nächsten Tagen nach Eynhallow zurückzukehren?”, erkundigte Edward sich beiläufig.
“Ja”, antwortete Adam seufzend. “Du weißt, dass ich mir, seit ich Humphreys Schulden bei Mr. Ingram beglichen habe, keine großen Ausgaben leisten kann, andererseits jedoch sehr viel in Eynhallow investieren müsste. Ich bedauere jetzt, wie wenig ich mich in den letzten neun Jahren um das Gut gekümmert habe.”
“Ich bin mir bewusst, warum du es vermieden hast, dort zu sein”, sagte Edward einfühlsam. “Bist du mittlerweile davon überzeugt, mit den Erinnerungen leben zu können?”
“Ja”, sagte Adam bedächtig.
“Nun, dann wünsche ich dir, dass du wieder glücklich in Eynhallow bist”, erwiderte Edward und lächelte zufrieden.
Adam dachte daran, dass seine Gefühle für Lady Wycherley erstaunlich schnell größer geworden waren und er das Bedürfnis hatte, öfter mit ihr zusammen zu sein. Er stand auf, ging zur Terrassentür und öffnete sie. “Ich brauche etwas frische Luft vor dem Schlafengehen”, erklärte er. “Wir sehen uns morgen früh.”
“Gute Nacht, Adam.”
“Eine angenehme Nacht, Edward”, sagte Adam und schlenderte in den dunklen Garten.
Annis hatte überall
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