Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
Tageslicht sieht alles ganz anders aus. Schlafen Sie gut!” Rasch wandte sie sich ab und strebte zum Haus.
Nachdenklich ging Adam zu seinem Anwesen zurück, betrat das Grundstück und schlenderte durch den Garten zur Terrasse. Er war erst dreiundzwanzig Jahre alt gewesen, als Mary starb, und hatte sich, um den Verlust zu verwinden, nach Ablauf der Trauerzeit allen Vergnügungen hingegeben, die er geglaubt hatte, genießen zu müssen. Es war ihm jedoch nicht gelungen, Mary zu vergessen. Alle Frauen, zu denen er eine Beziehung gehabt hatte, waren ihm so oberflächlich und bedeutungslos erschienen, dass er schließlich der Armee beigetreten und in den Krieg gegen die Franzosen gezogen war.
Er war sehr jung gewesen, als er sich in Mary verliebt hatte. Er war ihr von Herzen zugetan gewesen und hatte sehr unter ihrem Tod gelitten. Nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt war, hatte er zwar viele Liebschaften gehabt, indes nie eine Frau getroffen, für die er so entbrannt war wie für Mary. Der Gedanke an eine zweite Ehe war ihm in den vergangenen neun Jahren nie gekommen. Nun jedoch begriff er, dass Lady Wycherley ihm mehr bedeutete, als er für möglich gehalten hätte.
Sie war kein junges Mädchen mehr und strahlte dennoch eine Aura der Unberührtheit aus, die ihn fesselte. Ihre anfängliche Befangenheit war ihm ebenso wenig entgangen wie ihre wachsende, ihn betörende Leidenschaft. Gewiss, es war begreiflich, warum sie solchen Wert auf ihr gutes Ansehen legte, doch das würde ihn nicht davon abhalten, weiterhin um sie zu werben.
4. KAPITEL
I m Allgemeinen war Annis sehr zurückhaltend, was Äußerungen über private Belange anging, doch als sie mittags mit der Cousine speiste, konnte sie nicht widerstehen, ihr zu erzählen, dass sie auf der Suche nach der verschwundenen Miss Fanny, die sie schließlich essend in der Küche angetroffen hatte, mitten in der Nacht Lord Ashwick begegnet war. Sie unterließ es jedoch, allzu sehr ins Detail zu gehen, um sich vor Sibella keine Blöße zu geben. Vor allem wollte sie nicht, dass die Cousine falsche Schlüsse zog und auf den Gedanken kam, zwischen ihr und dem Earl bahne sich eine Romanze an.
“Hast du Lord Ashwick gefragt, wieso er sich zu dieser Zeit auf der Straße befand?”, wollte Sibella wissen.
“Nein”, antwortete Annis und war selbst verblüfft darüber, dass sie das unterlassen hatte.
“Vielleicht hat Miss Fanny dich mit ihrem mitternächtlichen Festgelage nur ablenken sollen, weil ihre Schwester sich mit Lord Ashwick treffen wollte”, vermutete Sibella.
“Das halte ich für höchst unwahrscheinlich”, entgegnete Annis. “Miss Lucy ist rettungslos in Lieutenant Norwood verliebt. Im Gegensatz zu Miss Fanny würde sie nie so töricht sein, eine für sie vorteilhafte Verbindung aufs Spiel zu setzen. Der junge Lieutenant sieht gut aus und ist zudem der jüngere Sohn Lord Norwoods.”
“Hm, auch Lord Ashwick ist jung und attraktiv.”
“Mit zweiunddreißig Jahren ist er kein Jüngling mehr”, entgegnete Annis lächelnd. “Und über sein Aussehen kann man geteilter Meinung sein.”
“Du meine Güte! Bist du kleinlich! Wann hört für dich die Jugend auf, und ab wann ist man gesetzten Alters?”
Belustigt dachte Annis daran, dass Sibella zu den Frauen zählte, die es vorzogen, ihr Alter zu vergessen. “Ab dem fünfundzwanzigsten Geburtstag gerät man ins reifere Alter”, antwortete sie schmunzelnd. “Und diesen Stichtag haben wir beide längst hinter uns.”
“Nun, so gesehen, habe ich nichts dagegen, als reife Frau zu gelten”, erwiderte Sibella trocken. “Ich habe einen mich vergötternden Mann, drei entzückende Kinder, ein wunderbares Heim und …”
“Und das alles vor deinem dreißigsten Geburtstag”, warf Annis erheitert ein.
“Musst du mich daran erinnern, dass wir nicht jünger werden?”, fragte Sibella schmollend.
“Warum nicht?”, äußerte Annis mit maliziösem Lächeln. “David ist bereits dreißig, Charles begeht im Dezember seinen dreißigsten Geburtstag, und bis zu meinem verbleiben weniger als drei Jahre.”
“Ach, sei still!”, unterbrach Sibella ungehalten. “Wir beide bleiben mindestens noch zwei oder drei Jahre so alt, wie wir jetzt sind!”
“Dir wird man diese Schwindelei abnehmen, Sibella”, sagte Annis schmunzelnd, “denn du hast dich so gut gehalten, dass man meinen könnte, du seist erst knapp über zwanzig.”
“Danke”, erwiderte Sibella entzückt. “Ich würde gern das Gleiche über dich
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