Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
die Liebe.”
Annis wollte vermeiden, dass die Cousine erneut auf das ihr lästige Thema zu sprechen kam. “Bitte, nimm es mir nicht übel, doch ich muss fort”, sagte sie hastig. “Es gibt nicht viele Tage, an denen ich mich nicht um Miss Fanny und Miss Lucy kümmern muss, und deshalb habe ich mir für heute viel vorgenommen.”
“Willst du einkaufen gehen?”
“Ja.”
Sogleich stand Sibella auf und sagte eifrig: “Ich werde dich begleiten. Ich brauche nur einen Moment, bis ich fertig bin.”
Es passte Annis nicht im Mindesten, dass die Cousine sich ihr anschließen wollte. “Gut, dann beeile dich!”, äußerte sie resigniert. “Aber halt mich unterwegs nicht auf, nur weil du etwas siehst, das dir gefällt, du dich dann jedoch stundenlang nicht entscheiden kannst.”
“Ich weiß immer, was ich will”, erwiderte Sibella fröhlich. “Und jetzt möchte ich, dass du meinen Rat beherzigst und dir etwas Hübsches zum Anziehen kaufst.”
Annis ließ sich vom Butler die Einkäufe abnehmen und erkundigte sich, ob in ihrer Abwesenheit jemand nach ihr gefragt habe.
“Ja, Lady Copthorne war da”, antwortete Tottenham, nachdem er die Päckchen auf den Konsoltisch gelegt hatte. “Sie hat gesagt, ich solle Ihnen ausrichten, dass sie beeindruckt davon ist, wie Sie Miss Fanny Crossley in die hiesige Gesellschaft eingeführt haben. Und dann hat sie hinzugefügt, es sei ihr Wunsch, dass Sie ihre Tochter zur Nachsaison nach London mitnehmen. Sie wird jedoch erneut herkommen und die Angelegenheit mit Ihnen besprechen.”
“Danke, Tottenham”, erwiderte Annis. “Wissen Sie etwas über dieses Mädchen?”
Nicholas half Ihrer Ladyschaft aus dem Mantel, räusperte sich und äußerte vorsichtig: “Es steht mir zwar nicht zu, Madam, mir eine Meinung über Lady Copthornes Tochter zu erlauben, aber da Sie mich gefragt haben, muss ich Ihnen sagen, dass Miss Copthorne noch … hm … unmanierlicher ist als Miss Fanny.”
“Soso”, murmelte Annis. “Vielleicht sollte ich diesen Auftrag dann nicht annehmen.” Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie sich jedoch einverstanden erklären, da sie es sich in ihrer finanziellen Lage nicht erlauben konnte, zu wählerisch zu sein, denn ein Großteil ihrer Einnahmen aus ihrer Tätigkeit war für die Instandsetzung von Starbeck gedacht. “Ist sonst noch jemand vorstellig geworden?”, erkundigte sie sich. Im Stillen hatte sie gehofft, Lord Ashwick möge ihr die Aufwartung machen, fand jetzt jedoch, es sei wahrscheinlich besser, dass er nicht gekommen war. “War Mrs. Bartle nicht hier?”, fuhr sie fort. “Sie hat beiläufig erwähnt, wir beide sollten in der nächsten Woche ins Theater gehen.”
“Nein, sie war nicht da, aber ein Herr.”
“Ach ja? Hat er seine Karte hinterlassen?”
“Ja, Madam.” Tottenham drehte sich um und nahm die Visitenkarte aus der Silberschale. “Bitte, Madam”, fuhr er fort und überreichte sie ihr.
“Mr. Flitwick?”, las Annis laut. “Was wollte er von mir?”
“Er wollte ein weiteres Mal Maß für Ihre neuen Stiefeletten nehmen”, erklärte der Butler.
Annis hatte den Eindruck, dass der Schuhmacher nur einen Vorwand gesucht hatte, um sie wiederzusehen, weil er sehr an ihr interessiert war. “Er wird halt wiederkommen müssen”, murmelte sie gleichmütig.
“Außer ihm war der Earl of Ashwick hier”, verkündete Tottenham.
Sogleich klopfte Annis das Herz schneller. “War er enttäuscht, mich nicht angetroffen zu haben?”, fragte sie hoffnungsvoll.
“Ja”, bestätigte Tottenham trocken. “Indes hat er durchblicken lassen, er sei davon überzeugt, Sie ließen sich verleugnen, weil Sie ihm zu verstehen gegeben haben, sein Besuch sei Ihnen unerwünscht.”
“Das stimmt”, räumte Annis leise seufzend ein.
“Dann hat er jedoch hinzugefügt, er habe sich über Ihren Wunsch hinweggesetzt, weil es ihm ein großes Vergnügen gewesen sei, Sie im Mondschein auf der Straße zu treffen, und er nun, entgegen Ihrer Anordnung, das Bedürfnis habe, Ihnen bei Tageslicht die Aufwartung zu machen.”
“Hübsch formuliert”, meinte Annis schmunzelnd.
“Mehr Besucher waren nicht da.”
“Danke, Tottenham”, erwiderte sie freundlich und fragte sich auf dem Weg in die obere Etage, ob sie Lord Ashwick wirklich wiedersehen wollte oder ob es ratsamer sei, ihn hinfort zu meiden. Über sich selbst den Kopf schüttelnd, erkannte sie, dass sie nicht wusste, was sie wollte.
5. KAPITEL
K ein Wölkchen war zu sehen, und die Sonne
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