Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
möchte wirklich hören, womit Sie beschäftigt sind.”
“Das können Sie sich doch denken, Sir!”, sagte Annis kopfschüttelnd. “Ich unternehme mit den mir anvertrauten jungen Damen Ausflüge, gehe mit ihnen einkaufen, mache Spaziergänge, besuche das Theater … Soll ich die Aufzählung fortsetzen? Abends geht man zu Bällen oder Empfängen oder Soireen oder nimmt Einladungen auf Landsitze wahr. Beispielsweise waren meine augenblicklichen Schutzbefohlenen sehr von Fountains Abbey und Knaresborough beeindruckt, insbesondere von der düsteren, verfallenen, fast schaurig wirkenden Burgruine, in der sie ständig mit dem Erscheinen eines Gespenstes gerechnet haben.”
Adam lachte, blieb stehen und schaute sehr eindringlich Ihre Ladyschaft an.
Sie hielt seinem Blick Stand und empfand plötzlich wieder diese ihr unerklärliche Anziehungskraft.
“Sie machen es mir nicht leicht, auf Ihre Gesellschaft zu verzichten”, fuhr er ernst fort. “Ich genieße es, mit Ihnen zusammen zu sein, Madam, und möchte dieses Vergnügen nicht entbehren.”
Betreten wandte sie den Blick ab und murmelte: “Danke für das nette Kompliment, Sir.”
“Es überrascht mich, Madam, dass Sie sich nicht wieder verheiratet haben, obwohl Sie gewiss viele interessante Männer kennenlernen. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?”
“Ja”, antwortete sie schmunzelnd. “Ich versuche stets, die mir geltende Aufmerksamkeit auf meine Schützlinge zu lenken, da sie eine für sie vorteilhafte Verbindung eingehen sollten.”
“Wäre ich einer der besagten Herren, könnten Sie mein Interesse von sich gewiss nicht auf eine Ihrer Schutzbefohlenen lenken, und wenn Sie sich noch so anstrengten”, erwiderte Adam ehrlich.
Annis fand ihn unwiderstehlich, und es fiel ihr äußerst schwer, dem Vorsatz treu zu bleiben, kein zu persönliches Verhältnis zu ihm zu bekommen. “In der augenblicklichen Situation wären diesbezügliche Bemühungen ohnehin vergeblich, da die Geschwister Crossley schon so gut wie verlobt sind”, sagte sie steif. “Und was mich betrifft, so habe ich Ihnen unmissverständlich erklärt, dass ich bereits einmal verheiratet war und keine Neigung verspüre, mich wieder zu vermählen.”
“Ich vermute, Sie haben sehr jung geheiratet.”
“Ich war siebzehn Jahre alt”, äußerte Annis und war froh, dass man den Stray überquert und den Granby fast erreicht hatte. “Ich danke Ihnen für Ihre Begleitung, Sir”, fügte sie höflich hinzu. “Hier trennen sich jetzt unsere Wege.”
“Sind Sie fest entschlossen, mich nicht wiedersehen zu wollen? Kann ich Sie nicht dazu bewegen, Madam, anderen Sinns zu werden?”
Sie zwang sich, Lord Ashwicks Charme nicht erneut zu erliegen. “Es wird sich kaum vermeiden lassen, Sir, dass wir uns irgendwann in dieser Kleinstadt begegnen”, erwiderte sie kühl.
“Das habe ich nicht gemeint.”
“Das war mir klar”, gab sie zu. “Ja, ich bin fest entschlossen, Sie nicht mehr zu sehen. Die Gründe für meine Entscheidung habe ich Ihnen bereits erläutert.”
“Sie enttäuschen mich, Madam”, gestand Adam verstimmt. “Warum muss ich mich Ihrem Diktat beugen?”
“Können Sie das Thema nicht endlich fallen lassen? Wir waren übereingekommen, dass wir keinen persönlich Umgang miteinander pflegen werden.”
“Ich bereue mein Einverständnis!”, sagte Adam seufzend und hob ihre Hand zum Kuss an die Lippen.
“Ich verlasse mich auf Ihre Einsicht”, erwiderte Annis ernst. “Leben Sie wohl, Sir”, setzte sie freundlicher hinzu, da Miss Fanny und Miss Lucy sich fröhlich von ihren Begleitern verabschiedeten.
“Auf Wiedersehen, Madam.”
6. KAPITEL
S eit der Trennung von Lady Wycherley war Adam sehr mit sich im Unreinen und so schlecht gelaunt, dass seine Mutter, seine Schwester und auch sein Bruder sich sehr über die in den letzten Tagen mit ihm geschehene Veränderung wunderten. Schließlich wurden ihre neugierigen Fragen ihm lästig, und er rang sich dazu durch, ihnen zu gestehen, dass er sehr an der Dowager Baroness Wycherley interessiert sei, sie ihn jedoch aus Rücksicht auf ihren guten Ruf nicht mehr sehen wolle.
“Hast du ehrbare Absichten auf Sie?”, erkundigte Annabelle sich skeptisch.
“Ja”, antwortete er freimütig.
“Wenn dem so ist, könnte ich dir helfen”, warf Della ein.
Annabelle nickte zustimmend. “Auch ich versichere dich meiner Unterstützung, Adam”, sagte sie, “denn es ist mir ein Herzensanliegen, dass du dich wieder
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