Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
und auch nicht die Absicht habe, daran etwas zu ändern.”
“Nein?”, fragte Annis und zog eine Augenbraue hoch. “Als wir uns vorgestern auf der Straße begegnet sind … Nun, ich befürchte, Sie haben mich falsch eingeschätzt, Sir. Ich neige nicht dazu, im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Tür und Angel Zärtlichkeiten mit fremden Männern zu tauschen.”
“Das müssen Sie fürwahr nicht betonen, Madam”, warf Adam rasch ein. “Diesen Eindruck habe ich wirklich nicht von Ihnen gewonnen!”
“Das beruhigt mich”, erwiderte sie erleichtert. “Ich gehe also davon aus, dass wir beide den … kleinen Zwischenfall vergessen und dergleichen sich nicht wiederholen wird.”
“Ich kann nicht einfach so darüber hinweggehen, Madam, wie Sie das gern möchten”, entgegnete Adam ernst. “Und ich gestehe freimütig, dass ich, sollte ich in eine ähnliche Situation geraten, mich nicht zurückhalten werde.”
Annis ärgerte sich über ihn und seine Uneinsichtigkeit. Er machte ihr die Sache wahrlich nicht leicht. In Wahrnehmung ihrer Pflichten als Anstandsdame musste sie natürlich in Gesellschaft verkehren, und in einer Kleinstadt wie Harrogate war es so gut wie unmöglich, Lord Ashwick aus dem Weg zu gehen. Das musste er begreifen. “Bitte, übersehen Sie nicht, Sir, dass ich genötigt bin, mir den Lebensunterhalt zu verdienen”, sagte sie eindringlich. “Es würde mir sehr schaden, wenn Sie …” Verlegen hielt sie inne.
“Befürchten Sie, dass ich nur mit Ihnen spiele, Madam?”, fragte er leicht vorwurfsvoll. “Falls Sie das annehmen, kann ich Ihnen versichern, dass Ihre Sorge unbegründet ist. Ich habe jedoch den Wunsch, Sie besser kennenzulernen. Ich hoffe, damit habe ich alle Missverständnisse zwischen uns ausgeräumt. Aber wenn meine Absicht Ihnen derart ungelegen kommt, dann sagen Sie es mir bitte jetzt. Ich verspreche Ihnen, Sie dann nie mehr zu behelligen.”
Annis war unschlüssig, wie sie sich verhalten solle. Sie konnte nicht abstreiten, dass sie Lord Ashwicks Gesellschaft genoss. Andererseits war sie gezwungen, auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu achten, und außerdem nicht bereit, ihre Unabhängigkeit aufzugeben.
“Ihr Schweigen ist sehr beredt, Madam”, äußerte Adam trocken.
Befangen schaute sie ihn an und erwiderte: “Sie sind sehr direkt, Sir!”
“Dafür bin ich bekannt”, sagte er und lächelte flüchtig.
Annis rang sich endlich zu der Antwort durch, die sie ihm geben musste. “Meine Lebensumstände gestatten es mir nicht, Sir”, sagte sie streng, “Umgang mit Ihnen zu pflegen, ganz gleich, wie ich zu Ihnen stehe. Durch die Tätigkeit, die ich ausübe, kann ich es mir nicht leisten, ins Gerede zu kommen. Bitte, haben Sie Verständnis für mich.”
“Ich kann Ihren Standpunkt nachvollziehen”, erwiderte Adam enttäuscht. “Ihre Willenskraft nötigt mir sogar Bewunderung ab. Dennoch kann und mag ich Ihre Entscheidung nicht akzeptieren.”
“Das werden Sie tun müssen”, entgegnete Annis entschieden.
“Dann muss ich mich ihr beugen”, äußerte er und zuckte leicht mit den Schultern. “Muss ich mich jetzt von Ihnen verabschieden, oder erlauben Sie, dass ich Sie zu Ihren Schützlingen begleite?”
“Natürlich dürfen Sie das!”, antwortete Annis mit gezwungenem Lächeln, denn das Herz war ihr schwer. Gewiss, sie hatte ihn unmissverständlich aufgefordert, sich von ihr zurückzuziehen, litt jedoch unter dieser Entscheidung und fand es sehr schwer, sich damit abzufinden. Plötzlich bemerkte sie, dass Miss Fanny den Kopf in ihre Richtung drehte, sie neugierig anstarrte und fast gestolpert wäre. Sogleich zwang sie sich, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen, und erkundigte sich in bemüht gelassenem Ton: “Ich habe gehört, Sir, dass Sie vor einigen Jahren den Militärdienst quittiert haben. Fehlt Ihnen dadurch nicht etwas?”
“Ja”, antwortete Adam, etwas über den jähen Themenwechsel irritiert. “Der Tagesablauf bei der Armee ist so geregelt und unterliegt einer Disziplin, der man sich als Zivilperson nicht beugen muss. Aber ich kann nicht über Untätigkeit klagen. Eynhallow wurde lange vernachlässigt und erfordert meine häufige Anwesenheit, damit es wieder in guten Zustand versetzt wird. Und wie verbringen Sie Ihre Zeit, Madam? Ich wüsste gern, welchen Vergnügungen Sie und Ihre jeweiligen Schützlinge sich hingeben.”
“Ich bezweifele, dass Sie das interessiert”, erwiderte Annis leichthin.
“Im Gegenteil!”, widersprach er. “Ich
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