Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerfrost - Die Arena-Thriller

Sommerfrost - Die Arena-Thriller

Titel: Sommerfrost - Die Arena-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
aus und nahm ihre Hand. »Lyra, ich hab deine Schwester wirklich gut gekannt.« Er schluckte schwer und fügte hinzu: »Und sehr gemocht.« Konnte das möglich sein? »Wie alt bist du?«, fragte sie und betrachtete ihn. »Fünfundzwanzig.« Lyra rechnete. So alt, wie ihre Schwester jetzt wäre, wenn sie noch leben würde. »Warst du in ihrer Klasse?«, fragte sie und merkte, dass er noch immer ihre Hand hielt. Es fühlte sich gut an, es tröstete sie. Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich war auf der Realschule. Aber meine Eltern hatten eine Bäckerei. Viola hat bei uns öfter vor der Schule etwas gekauft. Ein Hörnchen oder so. Wir haben ab und zu ein bisschen miteinander geredet.« War er tatsächlich mit Viola befreundet gewesen? Wie ein Besucher aus einer anderen Galaxie kam er ihr vor oder aus einer anderen Zeit. »Wirklich, du kannst mir ruhig glauben«, setzte er hinzu. Sie schluckte den dicken Kloß in ihrem Hals hinunter und probierte sogar ein Lächeln. »Ganz schöner Zufall, dass du jetzt hier bist und mich getroffen hast.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Ja, finde ich auch.« Er drückte ihre Hand und ließ sie dann los. »Den Autofahrer haben sie nie gekriegt.« Lyra musste gegen ihre aufkommende Wut ankämpfen, wenn sie daran dachte, dass der Mörder ihrer Schwester ungestraft davongekommen war. »Welchen Autofahrer?«, fragte er und runzelte wieder die Stirn. »Na, der, der sie überfahren und liegen gelassen hat«, antwortete Lyra. Komisch, sie hatte so lange nicht an ihre Schwester gedacht. Er antwortete nicht, sah sie nur weiter an, als habe er etwas nicht begriffen. »Ich verstehe nicht«, sagte sie, »wenn sie in eurer Bäckerei ein gekauft hat, dann hättest du doch mitkriegen müssen, dass sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr kam. Außerdem hat es in der Zeitung gestanden!« »Ach so«, seufzend fuhr er sich durchs Haar. »Das war eine schwierige Zeit damals. Meine Eltern haben sich scheiden lassen. Mein Vater hat die Bäckerei mit seiner neuen Freundin weitergeführt und meine Mutter ist mit mir nach Frankfurt zu ihren Eltern gezogen.« Er seufzte wieder. »Es ging so schnell, ich konnte mich gar nicht mehr von Viola verabschieden.« Nein, er hat wirklich nichts gewusst, dachte Lyra. Leanders Blick bekam wieder etwas Forschendes. »Was ist?«, wollte sie wissen. »Da ist noch was . . .« »Ja?« Er rutschte von der Mauer und klopfte sich den Staub von der Hose. »Lyra.« Er stand ganz dicht vor ihr und sah auf sie herunter. Seine Augen tauchten in ihre. Lyra fühlte sich hin-und hergerissen zwischen dem Wunsch wegzurennen und dem Wunsch, von ihm umarmt zu werden. Sie merkte, wie ihre Knie zitterten und sie eiskalte Füße bekam. Schließlich hob er den Kopf und sah in den Himmel. »Es ist ziemlich kompliziert, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll . . .« Sie wartete, gefasst auf alles, was Leander ihr nun sagen mochte. Dass er weiß, wer das Auto gefahren hat, dass er selbst vielleicht sogar am Steuer gesessen hat... Aber, dachte sie, das konnte nicht sein, er war damals doch auch erst fünfzehn. »Ich bin mal eine Zeit lang auf einem Schiff als Koch gefahren. Da kommt man ganz schön rum«, fing er an und unterbrach ihre Gedanken. Warum erzählt er das jetzt?, dachte Lyra verwundert. »Alte Seeleute haben erzählt, dass sie Meeresungeheuer gese hen haben. Riesige Kraken mit roten Augen und meterlangen Fangarmen.« Er sah zu ihr herab. »Weißt du, was ich sagen will?« Sie strengte sich an, dachte nach, aber sie konnte nur den Kopf schütteln. Er seufzte. »Sie haben zum Beispiel erzählt, dass in der Nacht bei starkem Sturm ein Seemann über Bord gegangen war. Du weißt, was das heißt: Zu neunundneunzig Prozent ist er verloren, selbst wenn es jemand gesehen hat und versuchen kann, ihm einen Rettungsring zuzuwerfen. Die Wellen sind so hoch, die Sicht ist so schlecht und der Wind so stark, dass es schlichtweg ein Wunder ist, wenn man den armen Kerl wieder an Bord kriegt.« Sie hatte noch immer keine Ahnung, worauf er hinauswollte. »Also, alle wissen, dass der Matrose ertrunken ist, aber dann, zwei Tage später, fast alle haben ihn schon vergessen, weil er ein unauffälliger Typ war oder weil ihn kaum jemand eigentlich gemocht hat, also...«Er holte Luft. »Also zwei Tage später steht er einfach wieder an Bord, so, als ob nichts passiert wäre, als ob er nie fort gewesen wäre. Und als man ihn fragt, wieso er plötzlich wieder da ist, wo er doch über Bord gegangen ist, da fängt

Weitere Kostenlose Bücher