Sommerfrost - Die Arena-Thriller
anders?« Sie wollte jetzt endlich die Wahrhei t wissen . Er holte Luft. »Viola hatte keinen Autounfall. « »Was?« Lyra fühlte sich, als hätte sie einen Schlag in die Magen grube bekommen . Leander sprach weiter: »Sie hat es zu Hause einfach nicht meh r ausgehalten und dann...«Ersah sie mitfühlend an. ». . . ist si e weggelaufen. « »Was?« Lyras Herz setzte für einen kurzen Moment aus und ihr e Gedanken überschlugen sich. »Nein, das kann nicht wahr sein ! Aber warum? Und warum haben meine Eltern . . . « »Sie hat mir damals alles erzählt, Lyra«, unterbrach Leander sie . »Viola hat euren Eltern einen Abschiedsbrief geschrieben. Si e wollte nicht, dass man nach ihr suchen würde. « Ungläubig starrte Lyra ihn an und schüttelte den Kopf. »Abe r wieso haben meine Eltern Viola denn einfach so gehen lassen? « Leander fasste nach ihrer Hand. »Lyra, das, was damals passier t ist, war bestimmt schrecklich für deine Eltern. Aber mehr kan n ich dir auch nicht sagen.« Tröstend legte er einen Arm um sie , aber Lyra schüttelte ihn widerwillig ab . »Du musst mir glauben! Ein paar Tage, nachdem Viola mir anvertraut hatte, dass sie abhauen will, bin ich weggezogen und den Rest kenne ich nur aus deinen Erzählungen.« Trotzig schaute Lyra ihm in die Augen. »Aber der Verkehrsunfall . . . meine Eltern haben doch erzählt . . .« Leander schüttelte heftig den Kopf. »Ich kann es ja auch kaum fassen: Deine Eltern haben diesen Verkehrsunfall einfach erfunden, um damit Violas Verschwinden zu erklären! Tja, und dann hat sich deine Mutter von deinem Vater scheiden lassen. So konnte man sich ein neues Leben aufbauen.« Lyra brachte kein Wort heraus. Festplattenabsturz. Sollte das Leben der letzten zehn Jahre nur eine Lüge gewesen sein? »Nein!«, brachte sie heraus und schüttelte den Kopf. »Nein, das glaub ich nicht! Meine Eltern könnten so etwas nicht tun!« Seufzend nahm er ihre Hand. »Ach, Lyra, es tut mir so leid für dich.« Eindringlich sah er sie an. »Aber, mal ehrlich: Warst du bei Violas Beerdigung?« »Nein! Natürlich nicht! Ich war ja viel zu klein, ich war bei meinen Großeltern.« Er nickte. »Siehst du. Du hättest auch nicht zur Beerdigung gehen können, weil es keine gab.« »Das behauptest du einfach!« Sie riss ihre Hände, die er immer noch hielt, zurück. Das konnte alles nicht wahr sein! »Du lügst!«, schrie sie. »Lyra, bitte«, flehte er. »Ich wollte es dir gar nicht erzählen, aber . . . du hast ja selbst gespürt, dass etwas nicht stimmt.« Besorgt sah er sie an. »Du hast recht, es ist kein Zufall, dass ich hier bin. Meine Eltern haben sich kurz vor dem Verschwinden deiner Schwester getrennt und ich bin mit meiner Mutter weggezogen. Deshalb habe ich das alles gar nicht mitbekommen. Ich wollte Viola vergessen, weil ich sie sehr, sehr gemocht habe – na, ich war verliebt.« Leander stieß ein kurzes Lachen aus. »Und dann, ganz zufällig, vor einem halben Jahr, bin ich in Bang kok einem spanischen Matrosen begegnet, der holte ein Foto aus seiner Brieftasche. Und dann geschah das Wahnsinnige! Die junge Frau auf dem Foto war Viola! Ganz eindeutig! Er erzählte mir, dass sie eine Deutsche ist, die als Jugendliche von zu Hause weggelaufen ist und nun in Spanien in einem andalusischen Bergdorf lebt. Sie habe ihm in einer sehr schweren Stunde beigestanden, deshalb trage er ihr Foto immer mit sich herum. Und dann sagte der Matrose noch, dass sie ihm von ihrer kleinen Schwester erzählt habe. Viola und Lyra hätten sie ihre Eltern getauft, zwei Musikinstrumente . . .« »Das glaub ich dir nicht!«, schrie Lyra und schlug gegen seine Brust. »Du lügst! Du lügst!« Ihr liefen die Tränen herunter. Er hielt ihre Arme fest und sah sie verständnisvoll an. »Ich versteh dich. Ich könnte es auch nicht glauben. Aber es ist die Wahrheit. Deshalb bin ich hier. Hör zu, ich habe herausbekommen, dass Viola in einem Hippie-Dorf hier in den Bergen lebt.« Die Geschichte klang so ungeheuerlich, dass Lyra nur unabläs sig den Kopf schütteln konnte. Das konnte nicht die Wahrheit sein! Das war alles viel zu unwahrscheinlich! Die Gedanken in ihrem Kopf gerieten völlig durcheinander. Ihre Mutter würde sie doch niemals derart belügen, oder? Allerdings – bekam nicht jetzt endlich alles einen Sinn? Die Weigerung ihrer Mutter, über die Vergangenheit zu sprechen, das Schweigen ihres Vaters – und Lyras Entdeckung auf dem Markt in Ojén? Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. Lyra hatte das Gefühl, als
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