Sommergeheimnisse 04 - Kurzschluss
gewechselt hatte, und nahm mir die Autoschlüssel weg. Da wurde ich zum ersten Mal richtig zornig. Bis dahin hatte ich sein Verhalten entschuldigt, weil er so nett und liebevoll zu mir war. Ich hatte es nie auf einen Streit ankommen lassen, doch als er die Autoschlüssel aus meiner Handtasche nahm, verlor ich die Nerven und schrie ihn an. Er schlug mich nieder.“
Quinlan sprang erregt auf. Was er da gehört hatte, brachte ihn so in Wut, dass er nicht länger sitzenbleiben konnte. Jetzt wollte er nicht mehr vortäuschen, unbeteiligt zu sein.
Elizabeth sprach weiter. Nachdem sie erst mal den Anfang gefunden hatte, wollte sie nun alles erzählen. Seltsamerweise fand sie es nicht so traumatisch, wie sie befürchtet hatte, nicht so schrecklich wie in ihren Albträumen. Vielleicht nahm der Schmerz ab, weil jemand bei ihr war. Bisher war sie immer allein mit ihren Erinnerungen gewesen.
„Ich wurde buchstäblich seine Gefangene“, fuhr sie fort. „Jedes Mal, wenn ich etwas durchzusetzen versuchte, bestrafte er mich. Dabei war er unberechenbar. Meistens ohrfeigte er mich, aber manchmal schrie er mich nur an. Ich wusste nie, was ich zu erwarten hatte. Es war beinahe schlimmer, wenn er mich nur anbrüllte und nicht schlug, denn dann wusste ich, dass er mich das nächste Mal bestimmt schlagen würde. Eric handelte ganz bewusst so. Ich bemühte mich krampfhaft, ihm alles recht zu machen und ihn nicht zu verärgern. Es war umsonst. Ich war so fertig mit den Nerven, dass ich ständig etwas falsch machte. Er fand immer einen Anlass, um mich zu züchtigen.“
Langsam fuhr sie fort: „Wenn ich zurückblicke, kann ich kaum glauben, dass ich so dumm war. Doch als mir damals klar wurde, was er getan hatte, und ich anfing, mich gegen ihn zu wehren, hatte er michso isoliert und mein Denken derart beeinflusst, dass ich mich machtlos fühlte. Ich hatte kein Geld, keine Freunde, kein Auto. Ich schämte mich sehr. Niemand sollte merken, was vorging. Am schlimmsten war eigentlich, dass Eric mich lange Zeit davon überzeugen konnte, selbst an allem schuld zu sein. Ich versuchte einmal fortzulaufen, aber er hatte den Pförtner bestochen, ihn anzurufen, wenn ich das Haus verließ, und innerhalb einer halben Stunde hatte er mich gefunden. Diesmal schlug er mich nicht. Er fesselte mich ans Bett und ging weg. Es war furchtbar, hilflos auf ihn warten zu müssen, ohne zu wissen, welche Bestrafung er sich als Nächstes ausdenken würde. Damals hätte ich Schlagen als Erleichterung empfunden, weil es dann wenigstens vorbei gewesen wäre. Stattdessen hielt er mich zwei Tage lang gefesselt, und ich drehte fast durch, wenn er ins Zimmer kam.“
Quinlan stand bewegungslos da und schaute sie an, aber Elizabeth spürte seine tiefe Betroffenheit.
„Er ließ das Telefon sperren“, berichtete sie. „Ich konnte also niemanden mehr anrufen und keine Gespräche mehr in Empfang nehmen. Dann schlug er mir eines Tages ein blaues Auge. Ich weiß nicht mehr, warum. Zu der Zeit regte er sich über jede Kleinigkeit auf. Als ich am nächsten Morgen in den Spiegel blickte, schaltete ich plötzlich, ich begriff, dass ich Eric entweder sofort verlassen musste oder ihn umbringen würde. Dieses Leben konnte ich keinen Tag, keine Stunde länger ertragen.“
„Ich hätte mich wahrscheinlich dafür entschieden, ihn umzubringen“, meinte Quinlan tonlos. „Ich würde es jetzt gern noch tun.“
„Danach war alles so einfach“, murmelte Elizabeth und ignorierte ihn. „Ich habe meine Koffer gepackt und bin gegangen. Der Pförtner sah mich, griff nach dem Telefon und hielt inne. Er betrachtete mein blaues Auge und legte den Hörer zurück auf die Gabel. Dann öffnete er mir eigenhändig die Tür und fragte, ob er ein Taxi rufen solle. Als ich ihm gestand, dass ich kein Geld hätte, zog er sein Portemonnaie heraus und gab mir vierzig Dollar. Ich suchte Schutz bei der Hilfsorganisation für misshandelte Frauen. Diesen Schritt empfand ich als sehr demütigend … Eigentlich ist es komisch, dass es die Frauen sind, die sich schämen“, setzte Elizabeth nachdenklich hinzu, „und niemals die Männer, die sie geschlagen und terrorisiert haben. Die Männer scheinen zu glauben, dass sie im Recht sind oder dass die Frauen es verdienthaben. Aber ich weiß, wie die Frauen sich fühlen, weil ich eine von ihnen war. Es ist, als ob man öffentlich preisgeben muss, wie dumm man war, was für eine schlechte Menschenkenntnis man hatte und was für furchtbare Fehler einem passiert
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