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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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vielleicht zehn Minuten, keine zwanzig, oder doch, oder mehr?
    »Hm. Warte mal«, sagte Steffi nachdenklich, nahm ihre Bürste wieder auf, kämmte sich aber nicht, sondern zupfte die Haare zwischen den einzelnen Borsten heraus, formte sie zu einem Knäuel, wog es, wollte das Knäuel vom Wind wegtragen lassen, aber da kein Lufthauch ging, trudelte es wieder auf ihren Schoß und sie ergriff es und verbuddelte es energisch im Sand.
    »Komisch ist das schon.« Ich sagte es noch leichthin und eher mechanisch, doch ein Unbehagen machte sich schon breit und in meinem Hinterkopf meldete sich erneut die Stimme meiner Mutter: »Gib acht, dass du keine Blasenentzündung bekommst. Lauf nicht barfuß, sonst trittst du in Glasscherben. Pass überhaupt ein bisschen auf am Baggersee. Und geh nicht mit Steffi allein.«
    Steffi hatte wohl ähnliche Gedanken im Sinn, sie senkte den Kopf und sah angestrengt auf ihre Haarbürste und das aufgeschlagene Taschenbuch, als läge in diesen Gegenständen die Lösung für das ungewöhnlich lange Fortbleiben der anderen. »Ich habe in der Zeit ein ganzes Kapitel gelesen«, bemerkte sie schließlich.
    Ich spürte, wie mein Puls anstieg. Gleichzeitig machte ich unbewusst einen Schritt zum See hin und kaltes Wasser umspülte meine Knöchel. Ein Kapitel. Wie lang war das? Dreißig Seiten? Mehr? Wie lang brauchte man, um dreißig Seiten zu lesen? Doch mindestens eine halbe Stunde!
    »Ich bin eine Schnellleserin, aber das heißt ja nichts, außerdem sind’s gut fünfzig Seiten . . . Hast du eine Uhr dabei, Annika?«
    »Die hab ich zu Hause gelassen.«
    »Mist.«
    »Vielleicht haben die drei sich ja getroffen.«
    »Aber klar, so wird’s sein! Deine Cousine tut zwar so ’n bisschen arrogant und so, aber zumindest Jonas scheint sie ja zu mögen.«
    »Du kennst doch Jonas. Wer mag ihn nicht?«
    Steffi nickte grimmig. »Manchmal denke ich, ihn mögen zu viele! Das verdreht ihm den Kopf. Hast du gehört, was er über Yasmins Aufzug gesagt hat?«
    »Ach, du bist doch wohl nicht auf die eifersüchtig!«, sagte ich leichthin, kam aber nicht dazu, weiter darüber nachzugrübeln, ob ich das nicht selbst ein bisschen war, denn in diesem Augenblick klickte der C D-Player , in dem die Disc abgelaufen war, und Steffi rief: »Ja super, die Musik verabschiedet sich auch noch!«
    Es war ein netter Versuch von ihr, die düstere Stimmung ein wenig aufzulockern, aber mir fiel ein, dass sie genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Jungs gegangen waren, die neue CD eingelegt hatte, und ich sagte prompt: »42   Minuten. Die hat eine Laufzeit von 42   Minuten. Sie ist fast eine Dreiviertelstunde weg.«
    »Das gibt’s doch nicht!«, sagte Steffi. »Ich mein, wenn die drei sich getroffen haben, ist es kein Problem, aber wenn nicht . . .«
    Wir schwiegen. Erst mal abwarten, Ausschau halten. Oben am Waldrand ging ein Mann mit einer großen Strandtasche entlang und auf dem See trieb der rote Drache zurück ans Ufer, kurz darauf dröhnten Bässe einer anderen Stereoanlage zu uns herüber.
    »Eigentlich kann hier nichts passieren. So viele Leute, wie hier sind«, sagte ich.
    Steffi nickte. »Ist ja auch noch nie . . .«
    »Eben.«
    »Obwohl es da mal so ’n Gerücht gab. Ich glaube, es war im letzten Jahr, da stand was von Belästigungen in der Zeitung.« Steffi schüttelte energisch den Kopf. »Trotzdem, keine Panik. Deine Cousine kommt bestimmt gleich und dann werfen wir sie erst mal ins Wasser. Als Entschädigung für den Schrecken, den sie uns eingejagt hat.«
    »Gute Idee«, antwortete ich und lächelte tapfer. Steffi hatte recht, gleich würden Ginie und die Jungs kommen und empört die Augenbrauen hochziehen, weil wir hysterischen Weiber uns übereilt und total unnötig Sorgen gemacht hatten.
     
    Dann, die Sekunden schienen zu schleichen, während die Schwüle gleichzeitig unerträglich wurde, kam Jonas. Er schleppte einen ganzen Arm voll Brennholz, pfiff vor sich hin, und als er uns fast erreicht hatte, legte er den Holzstapel ab, holte Zapfen aus den Taschen seiner bunten, weiten Hose und begann, uns damit zu bewerfen.
    »Hey, du Blödmann, hör auf!«, schrie Steffi.
    »Jonas, hast du die anderen gesehen?«
    Er lachte, seine weißen Zähne wurden von einem gleißenden Sonnenstrahl getroffen und eine Handbewegung ließ sein strohblondes Haar um seinen Kopf herumwehen. Fast wie einen Heiligenschein. Filmreif.
    »Nö.« Er kam heran, warf sich bäuchlings auf die Decke und griff gierig in die Kekstüte. »Hab ich ’nen

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