Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
diesem Bild störte.
    »Okay. Wir gucken, ob sie jetzt bei den Jungs ist«, gab ich nach.
    »Das ist sicher das Beste.« Steffi nickte und wir gingen zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    »Wir dürfen nicht ausflippen. Wir müssen Ruhe bewahren«, sagte ich laut zu mir selbst und rief mir die gängigen Verhaltensregeln für Notfälle ins Gedächtnis: Panik vermeiden. Verletzten helfen. Im Brandfall nicht den Fahrstuhl benutzen.
    Nichts war anwendbar. Nichts half.
    Wir stolperten aus dem Wald heraus und erreichten die Sandkuhle. Schon von Weitem sah ich zwei Personen an unserem Lagerplatz stehen: zwei Jungen, die miteinander sprachen und dabei wild gestikulierten, als ob sie sich in einem Streit befänden.
    Ginie war nicht dabei.
    Steffi fluchte. »Verdammt.«
    »Und wenn sie doch schwimmen gegangen ist?«, spekulierte ich verzweifelt. »Wenn sie den Bikini meiner Mutter im Wasser verloren hat und sich jetzt nicht mehr heraustraut?«
    Ich beschattete mit der Hand die Augen und ließ meinen Blick noch einmal über den See schweifen. Es war kaum noch jemand im Wasser. Die meisten Leute packten am Ufer ihre Sachen zusammen und brachen auf. Ginie war nicht zu sehen.
    Steffi schüttelte den Kopf. »Die ist nicht im Wasser, Annika. Die wollte nicht baden! Los, lass uns zu den Jungs!«
    Den Abstieg zum See unternahmen wir mehr fallend als laufend. Zweimal stürzte ich vornüber auf die Knie, rappelte mich wieder auf, rief schon von Weitem: »Wo ist Ginie?«
    Die Jungen reagierten nicht. Ihr Gespräch war beendet. Jonas saß an einem schwach qualmenden Lagerfeuerchen, stocherte mit einem Ast darin herum und starrte uns stumm entgegen. Rüdiger stand hinter ihm, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Wir haben keine Ahnung«, sagte Rüdiger, zuckte die Achseln und blinzelte mit den Augen.
    »Hast du sie denn nicht gesehen?«
    »Nein. Ich habe ja auch eben erst erfahren, dass sie nicht bei euch ist.« Rüdiger wandte sich zum See, dessen Wasseroberfläche sich im aufkommenden Wind kräuselte. »Aber wir sollten hier langsam einpacken. Es gibt gleich ein Gewitter. Habt ihr gerade den Donner gehört?«
    »Das war ’n Hubschrauber«, sagte Jonas, ohne aufzuhören, mit dem Ast zu stochern.
    »Ja, vorhin. Der ist da rübergeflogen.« Rüdiger deutete vage über den See. »Die haben wohl jemanden gesucht. Vielleicht gab’s einen Banküberfall oder es ist irgendwo einer ausgebrochen.«
    »Was?« Das war alles, was ich herausbrachte.
    Im nächsten Moment liefen mir Sturzbäche von Tränen die Backen herunter. Ich ließ mich auf die Wolldecke nieder, wehrte Steffis tröstende Hand ab, wollte soschnell wie möglich meine Sachen zusammenraffen, aber es gelang mir nicht, ich bekam sie in meiner Hast nicht alle in die Tasche, der Reißverschluss klemmte, und als ich an ihm zerrte, fielen die letzten, weichen Schokoladenkekse aus der Packung und rutschten, eine klebrige Schmierspur hinterlassend, ins Innere der Tasche.
    »O nein!«, jammerte ich. »Jetzt helft mir doch mal! Ich kann nicht ohne meine Cousine nach Hause kommen. Wir müssen sie suchen!«
    »Stell dich nicht so an, nimm dich zusammen, ja?«, rief Rüdiger unerwartet heftig. »Es gibt keinen Grund zur Aufregung! Ginie kommt wieder, die ist nicht auf den Kopf gefallen, die weiß, was sie tut!«
    »Genau«, sagte Jonas beschwichtigend, »die findet schon allein zurück, glaub’s mir!« Er legte mir einen Arm um die Schultern. »Bitte, Annika, beruhig dich!«
    Das wollte ich ja! Ich versuchte, mich abzulenken und auf andere Dinge zu konzentrieren, blickte fest auf Jonas’ braun gebrannte Beine und Steffis rot lackierte Zehennägel, aber beim Anblick von Steffis Zehen sah ich jetzt die übliche Sequenz, die gezeigt wird, wenn im Fernsehkrimi eine Leiche gefunden wird: die bleichen Zehen, den aufgequollenen Fuß. Mehr sieht man ja erst mal nicht von der Toten, die natürlich meist eine Frau ist oder ein junges Mädchen, hübsch, schlank, sexy, so wie Ginie.
    »Packen wir zusammen!« Jonas stand so abrupt auf, als hätte er ähnliche Schreckensvisionen gehabt, nahm rasch seine Sachen und wiederholte die Aufforderung: »Los!«
    Steffi half mir auf, Jonas’ Armbanduhr piepste zweimal, um die volle Stunde anzuzeigen: 17   Uhr, Ginie warseit fast zwei Stunden fort!   – Rüdiger rollte stumm die Decke zusammen, es ging rasch und doch viel zu langsam. Das einzig Schnelle waren meine Gedanken, in Windeseile jagten sie auf der Suche nach Ginie in alle möglichen

Weitere Kostenlose Bücher