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Sommergewitter

Sommergewitter

Titel: Sommergewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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wollte einfach nur mal ganz kurz in die Büsche und gleich wieder zurück sein!«
    »Sie hat auch gar nichts dabei!«, fiel ich ein. »IhreJacke, ihren Rucksack, ihre Schlüssel, ihre Armbanduhr, ihr Handy   – das hat sie alles bei uns zu Hause gelassen! Sie hat nur kurze Sommersachen an und ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt Geld dabeihat!«
    Die Polizisten tauschten einen Blick.
    »Sie müssen sie suchen«, bat Steffi. »Hier laufen doch lauter perverse Typen rum!«
    »Ja, tun sie etwas«, sagte mein Vater. »Ginie ist nicht weggelaufen. Sie ist ein normales, vernünftiges Mädchen. Vielleicht ist sie gestürzt und hat sich verletzt oder . . . Hören Sie doch, mein Schwager und meine Frau sind außer sich vor Angst. Man hört ja heutzutage so viele schlimme Geschichten.«
    »Ich würde zunächst nicht davon ausgehen, dass sie das Opfer eines Verbrechens geworden ist«, sagte die Polizistin. »Hier am See hat es bisher keine sexuellen Übergriffe auf Frauen gegeben und solche Taten kommen auch glücklicherweise längst nicht so häufig vor, wie die Medien uns glauben machen.«
    »Es kommt viel zu oft vor! Außerdem gab’s da mal so ’n Gerücht im letzten Jahr!«, rief Steffi.
    »Ein Gerücht, ja, aber auch nicht mehr«, versuchte die Polizistin uns zu beruhigen, was ihr aber nur halbwegs gelang, denn Steffi brummelte vor sich hin, dass an Gerüchten ja schließlich immer was dran sei, sonst würden sie gar nicht erst entstehen und die junge Polizistin habe sowieso keine Ahnung, als Opfer müsste man sich dann auch noch rechtfertigen und . . .
    Doch die Polizisten hatten sich jetzt offensichtlich entschieden, Ginie suchen zu lassen, sie zogen sich in ihr Auto zurück, gaben Anweisungen über Funk durch.
    »Annika, du und Steffi solltet jetzt nach Hause fahren.«
    »Ich will mit suchen helfen, Papa!«, protestierte ich.
    »Nein, tu mir den Gefallen, du musst dich ein bisschen um Mama kümmern. Sie hatte schon wieder hohen Blutdruck!« Mein Vater ließ mich los, trat zu den Fahrrädern. »Macht mal die Schlösser auf!« Er war ungeduldig, konnte kaum warten, bis Rüdiger die Kette, mit der er die Räder und das Mofa zusammengeschlossen hatte, entfernt hatte. »So, ihr nehmt eure Räder und ich fahr euch mit dem Wagen bis zur Hauptstraße hinterher.«
    »Das ist bestimmt nicht nötig, Herr Senkel«, sagte die Polizistin aus dem Auto heraus.
    Steffi aber nickte entschieden. »Doch, das ist es! Ginie hätten wir auch nicht allein gehen lassen dürfen!« Sie weinte laut, wischte sich mit der Hand Tränen vom Gesicht.
    »Du übertreibst total, Steffi.« Rüdiger schüttelte den Kopf.
    Die Polizisten tuschelten miteinander. Jonas trat zu Steffi, um ihren nassen Fahrradsattel mit einem Taschentuch abzuwischen, aber sie stieß seine Hand weg und fuhr dabei Rüdiger an: »Du musst nicht schon wieder über mich lachen! Gerade von dir, Rüdiger, hätte ich ein bisschen mehr Sensibilität erwartet.«
    »Reiß dich mal zusammen, Steffi, es rennt hier kein Serientäter rum.«
    »Woher willst du das denn bitte schön wissen? Ach ja, klar, du kennst ja die Wälder bei Tag und bei Nacht und deshalb auch alle Serientäter persönlich!«, fuhr sie ihn an. »Herr Senkel, begleiten Sie uns, bitte.«
    »Selbstverständlich«, sagte mein Vater und wir machten uns auf den Weg.
    Es war eine irrwitzige Fahrt. Steffi und ich kämpften uns den matschigen Weg entlang, wobei wir den Regen schon als fast so normal hinnahmen wie die Hitze zuvor, und mein Vater hoppelte mit eingeschalteten Scheinwerfern im ersten Gang hinter uns her, um zur Stelle zu sein, falls plötzlich ein blutgieriger Verbrecher aus dem Unterholz springen sollte. Ich dachte: Wie bescheuert und lächerlich!
    Gleichzeitig war ich aber auch froh. Ich war noch einmal, vielleicht zum letzten Mal, die Kleine, die der besorgte Papa nicht aus den Augen lässt. Und nachdem ich in den vergangenen drei Stunden so brutal aus meiner heilen Kinderwelt hinausgestoßen worden war, tat mir das richtig gut.
    Am Ende des Forstwegs wendete mein Vater das Auto, hupte und fuhr zu den Suchenden zurück, während ich mich mit Steffi auf den Heimweg machte.
    Wir radelten hintereinanderher ohne zu reden, ich verbissen schweigend und meine Hände stärker als nötig in die Gummirillen der Lenkergriffe drückend, Steffi leise und unverständlich vor sich hin jammernd, sodass ich jeden Moment dachte, sie würde schlappmachen und wir müssten absteigen und die Räder schieben. Doch wir

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