Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
Motorboote fixiert.
    »Ein Motorboot bringt mich überall hin«, pflegte er zu sagen. »Man muss nicht auf den Wind, die Gezeiten oder wer weiß was warten. Ich lasse nur den Motor an, und ab geht’s.«
    »Ich weiß, Daddy«, hatte Annie erwidert und die weißen Segel am Horizont betrachtet, friedvoll, romantisch und viel schöner und behaglicher als die Motorboote mit ihren laut tuckernden Dieselmotoren. Tara bezeichnete sie als »Stinkpötte«. »Aber Segelboote sind so hübsch.«
    »Wozu brauche ich ein hübsches Boot, wenn ich dich habe?«, hatte er erwidert und sie in die Arme genommen. »Was kann sich ein Mensch sonst noch wünschen?«
    Annie sehnte sich nach seiner Umarmung, als sie sich an seine Worte erinnerte. Ihre Füße polterten über den Landungssteg, vorbei an den imposanten Hinckleys, Herreshoffs und Aldens. Am Ende angekommen, lief sie nach links, auf den T-förmigen Teil des Stegs zu, und lächelte.
    Eine Welle der Erleichterung überflutete sie. Dort lag das Boot ihres Vaters, schaukelte sanft gegen den Pier. Die
Aldebaran,
ein großes, für den Angelsport ausgerüstetes Schiff, schimmerte im Sonnenlicht. Die Chromteile waren auf Hochglanz poliert, die elegant gerundeten Spanten des Schiffsrumpfes fingen das Licht ein.
    Schmunzelnd eilte sie weiter, tappte barfuß den Pier entlang. Sie erwartete halb, Jimmy Buffett, den Lieblingssänger ihres Vaters, spielen zu hören. Vielleicht hatte ihr Vater nur einen freien Tag gebraucht, Erholung von der Arbeit, und hatte sich auf die
Aldebaran
zurückgezogen, um Ruhe und Entspannung zu finden. Als sie über die Halteleine an Deck kletterte, näherte sie sich auf Zehenspitzen dem Bullauge.
    Im letzten Jahr hatte er manchmal Annies Geschenk mit an Bord genommen: ein kleines Modellschiff, das sie ihm vor zwei Jahren zu Weihnachten aus Balsaholz gebastelt hatte, dunkelgrün bemalt, kein Motorboot, sondern ein kleines Ruderboot, eine Dory. Er hatte gesagt, es werde ihn auf Schritt und Tritt begleiten. Aber sie konnte es nirgends entdecken …
    Während sie außen herum zum Cockpit ging, bemerkte sie, dass der Lukendeckel allem Anschein nach verschlossen war; sie sah das zugesperrte silberne Vorhängeschloss. Das bedeutete, dass ihr Vater nicht an Bord sein konnte – was indes kein Grund zur Panik war. Annie kannte die Zahlenkombination: 3–5-6–2. Sie konnte unter Deck gehen und sich umsehen.
    Als sie begann, mit dem Daumen die Zahlen am Schloss einzustellen, merkte sie, dass es sich nass und ölig anfühlte. Erschrocken musterte sie ihre Hand: Es war Blut.
    Und es war nicht nur an ihrer Hand und auf dem Schloss, sondern auch an der Teakholzeinfassung der Luke. Direkt an der Ecke – als hätte sich jemand beim Betreten der Kabine mit voller Wucht den Kopf angestoßen – befand sich ein dicker roter Blutfleck.
    Annie hätte sich gerne eingeredet, dass er von einem Fisch stammte.
    Ihr Vater war aufs Meer hinausgefahren, hatte Goldmakrelen gefangen. Oder Streifenbarrel, einen köstlichen Speisefisch. Oder sogar einen Hai.
    Er brachte immer Fische mit nach Hause, und wo Fische waren, war Blut. Fische ausnehmen, gründlich säubern, unter fließendem Wasser abwaschen … eine schmutzige Arbeit.
    Doch Annies Augen füllten sich mit Tränen, und irgendwie wusste sie, dass das Blut nicht von einem Fisch stammte. Ihr Vater war der ordentlichste Bootsbesitzer der Welt. Er hatte einen zusammengerollten Wasserschlauch am Pier und spritzte das Boot nach jeder Angeltour sorgfältig ab.
    »Annie!«
    Annie wirbelte herum. Ihre Mutter kam mit Tara den Pier entlang, doch bei Annies Anblick begann sie zu laufen. Annie weinte so herzzerreißend, dass sie ihre Mutter nicht mehr sah, aber sie hörte das dumpfe Poltern ihrer Schritte auf dem langen Steg und spürte, wie das Boot schaukelte und schlingerte, als ihre Mutter an Bord sprang und sie in die Arme schloss.
    »Dad ist etwas passiert«, schluchzte Annie. »Er ist verletzt, Mom, oder noch schlimmer … er war hier, aber jetzt ist er weg, und er ist verletzt …«

[home]
    3
    D ie Polizei war in nicht einmal zehn Minuten nach Bays Anruf zur Stelle, drei Streifenwagen trafen im Abstand von nur wenigen Sekunden an den Liegeplätzen ein. Bay versuchte, schützend die Arme um Annie zu legen, aber ihre Tochter riss sich los, zu aufgeregt, um still zu stehen. Sie eilte den Pier entlang, winkte den Polizisten zu, um sich bemerkbar zu machen.
    »Heute scheint verbrechenstechnisch nicht viel los zu sein«, meinte Tara. »Ein

Weitere Kostenlose Bücher