Sommerglück
war. Er hatte gerade das College abgeschlossen und während der Saison als Zimmermann auf der Landspitze gearbeitet; er war brillant, wenn es um Dinge ging, die ihm Spaß machten: Entwürfe, Holz, Hafenarchitektur. Bay hatte Stunden in seiner Nähe verbracht, war ihm beim Bau der neuen Uferpromenade zur Hand gegangen, angezogen von seiner sanften Intelligenz. Und Danny hatte sie nie verscheucht, sondern sich Zeit genommen, ihre endlosen Fragen zu beantworten, sie in alles einzubeziehen, was er tat.
»Wenn du drei Jahre älter wärst, könnte das eine interessante Beziehung werden«, hatte Tara gesagt.
»Achtzehn?«
»Ja. Vielleicht wartet er ja auf dich. Ich wette, er denkt darüber nach.«
»Na klar, Tara.«
»Wenn nicht, würde er nicht den ganzen Tag um dich herumscharwenzeln. Ohne deine Gesellschaft könnte er doppelt so schnell arbeiten. Er mag dich, Bay. Ob du es glaubst oder nicht!«
Irgendwie war die Idee zu aufregend und beängstigend gewesen, um sie wirklich ernst zu nehmen.
Sean war völlig anders. Er preschte vorbei, winkte ihr von seinem Boston Whaler zu und gab Gas, wirbelte weiße Gischtfontänen hoch wie Pfauenräder. Er kurvte mit seiner Geländemaschine am Strand herum, verstieß gegen sämtliche Regeln, und Danny schüttelte den Kopf.
»Völlig undiszipliniert«, sagte er. »Du weißt, was er damit bezweckt, oder?«
»Er spielt nur mit seinen Sachen.«
»Nein, er ist auf Patrouille, um sich zu vergewissern, dass ich dir nicht zu nahe komme.«
»Du bist zweiundzwanzig!«, sagte Bay, Taras Worte im Ohr; sie errötete vor Freude angesichts der Vorstellung, dass er tatsächlich an so etwas dachte.
»Ich weiß, und du weißt, dass wir nur befreundet sind, aber ein fester Freund sieht das nicht so.«
»Er ist nicht mein fester Freund, wie du es nennst.«
»Wäre er aber gerne, wenn er ein Wörtchen mitzureden hätte. Aber lass dir Zeit damit, Galway Bay.«
Danny hatte recht gehabt, wie sich herausstellte. Nach Beendigung seines Sommerjobs hatte er dem Strand ein für alle Mal den Rücken gekehrt, Sean und sie waren geblieben. Sie wurde sechzehn, und Sean hatte sie auf der hölzernen Promenade geküsst, die Danny im Jahr zuvor errichtet hatte. Sie vermisste den stillen Zimmermann mit seiner irischen Poesie, dem steten Blick und seiner Art, die Welt mit wachen Augen wahrzunehmen und mit ihr über seine Beobachtungen zu sprechen. Sean war viel zu beschäftigt damit, sein Leben zu leben – immer auf der Schnellspur unterwegs zu sein, jede Sekunde voll zu genießen –, um Zeit mit Diskussionen darüber zu vergeuden. In Seans Armen, ihren Lippen an seinem Hals, hatte sie zehn Sekunden lang an Danny gedacht und sich gewünscht, er wäre es, hatte sich gewünscht, Taras Prophezeiung wäre wahr geworden, und er hätte auf sie gewartet. Sie erinnerte sich, wie er auf die schmale Mondsichel gedeutet und gesagt hatte, er werde daraus eine Schaukel bauen, nur für sie.
Und sie hatte erwidert, dass sie ihm zutraue, alles zu bauen, wonach ihm der Sinn stand.
New London – altes Seehandelszentrum und ein Marinestützpunkt, nur zehn Meilen östlich von Black Hall, aber dennoch am anderen Ende der Welt. War es möglich, dass Danny die ganze Zeit dort gelebt hatte?
In dem Moment hörte Bay Taras Wagen in der Auffahrt. Sie legte das Fax auf den Schreibtisch und eilte zu den Kindern hinunter, um ihnen zu sagen, dass sie gleich wieder zurück sein würde.
Annie kannte die besten Schleichwege zum Boot ihres Vaters. Jetzt nahm sie allerdings den kürzesten Weg, mitten durch das Zentrum der Stadt.
Sie kam an der weißen Kirche, der gelb gestrichenen Kunstgalerie und dem Herrenhaus vorbei, das vor hundert Jahren auf einer Barke über den Long Island Sound befördert worden war, überquerte die Hauptstraße, wobei sie um ein Haar von einem anfahrenden Pick-up am Hinterreifen erwischt wurde, und bog schließlich in den Schotterweg ein, der zu den Liegeplätzen führte. Annie wusste, dass sie nur knapp einem Unfall entgangen war, aber das war ihr egal. Sie konnte sich keine Gefühle gestatten – noch nicht.
Ihr Fahrrad geriet ins Schleudern, als sie neben der Hafenanlage scharf bremste. Sie lehnte es an die große rote Halle, dann lief sie auf dem Pier eins entlang. Die Marina war die schönste weit und breit, und die meisten Boote waren eigentlich Yachten. Große, prachtvolle Segelschiffe. Obwohl Annie selbst ein schnittiges Segelboot oder auch ein Ruderboot vorgezogen hätte, war ihr Vater auf
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