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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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sie stecken?«
    »In der Schule? Bei irgendeiner Veranstaltung?«
    Dan schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so. Aber Eliza ist eine bekennende Einsiedlerin. Sie sagt, dass sie für ihren Eintritt ins Kloster übt.«
    »Und das ist ihre Zelle«, sagte Bay traurig und dachte an das junge Mädchen, das sich freiwillig in ihren eigenen vier Wänden absonderte, an seinen Vater, der schuften musste, um seinen Rechnungen einen Schritt voraus zu sein, und an eine tote Mutter, die einen anderen Mann geküsst hatte.
    Während ihre Gedanken bei den vier Kinder weilten, ging sie mit Dan auf dem gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen waren, angestrengt nach einem Hinweis Ausschau haltend, den sie vielleicht übersehen hatten. Im Esszimmer fiel Bay die geöffnete Tür einer Vitrine auf.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Ein Geschirrschrank, selbst gebaut, für Elizas Teeservice. Sie war ganz vernarrt in den Schreibtisch ihres Großvaters, deshalb habe ich versucht, die Tür mit den gleichen Ornamenten zu gestalten.«
    Bay bückte sich, um die Muscheln, Fische, Meerjungfrauen, Meeresungeheuer und den Poseidon zu betrachten. Sie griff in den Schrank, holte eine der blauen Tassen und Untertassen hervor – winzig, mit Elizas eingravierten Initialen – und stellte sich vor, wie das Mädchen ihren Puppen Tee servierte.
    »Ach ja.« Dan stand neben Bay und streifte mit der Hand ihre Schulter, als er die Tür weiter aufmachte. »Sie bewahrt auch den Becher des Generals in dem Schrank auf. Ich habe dir von ihm erzählt, falls du dich erinnerst.«
    »Der beweist, dass es die wahre Liebe gibt?«, fragte Bay, als seine Hand kaum merklich auf ihrer Schulter liegen blieb.
    »Ja.«
    Bay spähte hinein. Schatten füllten den Schrank, und Dan rückte die Messinglampe näher. Zwei Stapel mit Tellern in Puppengröße, Tassen und Untertassen standen darin, mitsamt Teekanne, Milchkrug und Zuckerdose.
    »Ich kann ihn nirgends entdecken«, sagte sie.
    Dan ging neben ihr in die Hocke. »Ich auch nicht.«
    »Könnte sie ihn mitgenommen haben? Er hat ihr gewiss viel bedeutet.«
    »Schon. Aber nicht, weil er ein Vermögen wert ist, sondern weil sie als Kind Milch daraus trinken durfte, ein Ritual, das sie an ihre Mutter erinnert. Sie hätte ihn nie außer Haus gebracht.«
    »Dan.« Bay wurde innerlich eiskalt, hatte mit einem Mal das Gefühl einer überwältigenden Bedrohung. »Ich denke, du solltest die Polizei anrufen.«
    »Du hast recht«, erwiderte er und eilte bereits zum Telefon.
     
    Eliza war kalt und abermals speiübel, aber vor allem kalt. Sie spürte den Wind und roch das Meer. Der salzige Geschmack fühlte sich eisig in Mund, Nase und Lungen an – aber er war erfrischend, befreite sie von dem ekelerregenden süßlichen Geruch und Geschmack.
    Sie versuchte, ihren Körper zu entspannen und wie ein zusammengerollter Teppich auf dem harten Boden zu liegen, während der Wagen über Stock und Stein rumpelte. Man hatte ihr wieder die Augen verbunden und den Klebestreifen über dem Mund erneuert; sie bekam kaum Luft.
    Die Stimmen waren leise, und sie versuchte herauszubekommen, wie viele sie waren – Männer, Frauen? Ein Mann, nur einer, oder zwei? Und noch jemand, eine Frau, die nervös zu sein schien, ängstlich …
    Und mit einem Mal fiel ihr Mr.Boland wieder ein!
    Die Erinnerung an die Minuten vor dem Betäubungsmittel war verschwommen, kehrte nur langsam zurück … Mr.Boland, der vor der Haustür stand, als sie gerade die Polizei benachrichtigen wollte. Vielleicht hatte er mitbekommen, wie sie entführt wurde, vielleicht nahte bereits Hilfe – ihr Vater, die Polizei …
    Es sei denn – nein … unmöglich … sie weigerte sich, es zu glauben, obwohl die Stimmen vertraut klangen, unglaublich vertraut … Er war es … aber wie konnte das sein? Jemand der sie kannte! Der immer nett zu ihr gewesen war!
    »Ich hätte nicht auf dich hören sollen, weder damals noch jetzt«, sagte Mr.Boland.
    Lasst mich einfach gehen
, flehte Eliza stumm.
Lasst mich nach Hause …
    »Ich kenne deine Ansichten zu diesem Thema, verschone mich also damit. Wir können nicht mehr zurück; es gehen bereits zwei auf unser Konto, das dürfte dir doch klar sein. Oder zählst du nicht mehr mit?«
    Zwei?
, dachte Eliza verwirrt. Zwei was? Ihr Herz hämmerte, und sie betete, dass Mr.Boland und die Frau nichts davon mitbekamen. Sie spitzte die Ohren, begierig, die Stimmen noch einmal zu hören, wobei ihr gleichzeitig davor graute, aber sie flehte
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