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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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hätte, wo man anfangen könnte …

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    32
    D achten sie, dass sie eingeschlafen war? Oder hatte man sie vergessen?
    Die Leute, die vorne saßen, fuhren langsam weiter, schweigend, schienen zu warten. Aber worauf? So viele quälende Fragen. Eliza lag reglos da, mit einem umgeknickten Ohr, das unter ihrem Kopf lag und schmerzte. Bilder von einem maronenfarbenen Van gingen ihr durch den Kopf. Sie sah, wie er ihre Mutter überfuhr, das Blut ihrer Mutter auf der Straße.
    Und dann tauchte der Van abermals in ihrem Gedächtnis auf, für den Bruchteil von Sekunden, wie ein Blitzlicht. Wo hatte sie ihn vorher schon einmal gesehen?
    Die Erinnerung kam Stück für Stück zurück. Eliza, ihre Mutter, Einkaufen an einem Samstag. Sie hatten im Sail Loft Café zu Mittag gegessen, dann waren sie nach Hawthorne gefahren. Eliza liebte es, in Boutiquen zu stöbern, hatte einen leuchtend gelben Pullover anprobiert und neue Schuhe bekommen. Danach wollte sich ihre Mutter Haushaltswaren und Dekorationen anschauen …
    Glänzende Kupfertöpfe und schmiedeeiserne Pfannen in einem Geschäft, bestickte Kissen und ausgefallene Lampenschirme in einem anderen, und im letzten Fliesen und Stoffballen … ein Designer-Studio … das man aufsuchte, wenn man ein Haus einrichten oder umgestalten wollte.
    Eliza blinzelte unter der Augenbinde. Sie sah ihre Mutter vor sich, hörte die Überraschung in ihrer Stimme. »Oh, ich wusste gar nicht, dass Sie die Inhaberin sind!«
    Und die Innenarchitektin – zierlich und stilbewusst in einem schwarzen Kostüm mit tadellos frisierten blonden Haaren und goldenen Ohrringen – hatte gelächelt und sich gefreut, sie zu sehen, hatte Mom Stoffmuster vorgelegt und Eliza gefragt, was sie von Wandleuchtern hielt.
    »Wie gefällt dir diese?«, hatte sie gefragt und eine Messinglaterne hochgehalten; dann hatte sie eine Lampe mit hohem Zinnfuß und schwarzem Lampenschirm in die Hand genommen. »Oder magst du lieber Stehlampen?«
    »Ich finde die Laterne schöner.«
    »Ich auch«, hatte die Frau mit einem strahlenden Lächeln gesagt. »Du hast Geschmack! Charlie, deine Tochter ist bezaubernd.«
    Elizas Mutter hatte gelächelt, genickt und sich für das Kompliment bedankt, während sie weiterhin die Stoffmuster in Augenschein nahm. Das Studio hatte anheimelnd und weiblich gewirkt, die Atmosphäre einladend und kreativ, und die Frau sah sehr gediegen aus; jetzt fiel Eliza wieder ein, dass ihre Mutter gesagt hatte: »Ich verbringe neuerdings viel Zeit in der Bank; Mark und Sean waren sehr hilfsbereit. Ich überlege, ob ich nicht noch studieren soll, um mich eingehender mit dem Finanzbereich zu beschäftigen … aber
so etwas
würde mir auch gefallen …«
    Und Eliza war neugierig gewesen, als sie hörte, dass ihre Mutter bestimmte Dinge in ihrem Leben verändern wollte – nicht beunruhigt oder besorgt, nur neugierig, weil ihre Mutter bisher nie solche Wünsche geäußert hatte.
    »So etwas?« Die Frau hatte gelächelt.
    »Ja – von hübschen Dingen umgeben sein, von so viel Schönheit.«
    Die Frau hatte die Muskeln ihres Armes angespannt und mit der anderen Hand zum Schaufenster gedeutet. »Das ist das Wichtigste in meinem Beruf. Körperkraft, um alles Mögliche herumzuschleppen. Musterbücher, Stoffballen, antike Rüstungen, Gemälde – ich bin in Wirklichkeit nichts weiter als ein Arbeitspferd.«
    Eliza und ihre Mutter hatten sich vorgebeugt und aus dem Fenster geschaut, um zu sehen, worauf die Frau gedeutet hatte – und dort stand er, in der Zufahrt hinter dem Laden, vor einer roten Scheune.
    Der maronenfarbene Van.
    Eliza stöhnte angesichts der Erinnerung.
    »Hast du das gehört?«, fragte die Stimme des Mannes. »Mein Gott, wie lange wollen wir noch warten? Das hält ja kein Mensch aus, Alise.«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte die Frauenstimme.
    »Wir hätten es sofort hinter uns bringen sollen. Wie bei den anderen.«
    »Die anderen mussten wir auch nicht aus ihrem Haus schaffen.«
    »Was ist – verlierst du die Nerven?«
    »Nein, du etwa?«
    Bitte
verliert die Nerven, das wäre menschlich,
flehte Eliza insgeheim. Nun, da sie sich an das Gesicht der Frau erinnerte, an ihr blondes Haar, ihren Laden mit den hübschen Farben und Stoffen und Dekorationsartikeln, an das Gespräch, das sie mit ihrer Mutter geführt hatte, und dass sie Eliza bezaubernd gefunden hatte, diese
Alise
, wie ihr plötzlich wieder einfiel, genau wie der Name ihres Geschäfts,
Boland Design –
nun war alles
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