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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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kamen nur in Geschichten vor.
    »Bestimmt tust du das, Annie. Deine Mom glaubt daran. Und ich auch. Unsere Großmütter haben uns von ihnen erzählt.«
    »Aber wozu sollen Schutzengel gut sein?« Annies Stimme zitterte. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass inzwischen alle Sterne aufgegangen waren. Es war Neumond, und der Himmel war dunkel. Eulen machten auf ihrem Flug gen Süden Station in Hubbard’s Point, wie jeden November, flogen mit einem unheimlichen Ruf aus den Eichen hoch, um sich auf die Jagd zu begeben. »Was können Geister bei uns auf der Erde schon ausrichten? Wo wir es nicht einmal schaffen, die Menschen zu retten, die wir lieb haben, obwohl wir uns hier auskennen.«
    Tara legte die Arme um sie, als wüsste sie, dass Annie um ihren Vater weinte, weil sich mit der Nachricht von seinem Tod ihr schlimmster Albtraum bewahrheitet hatte.
    »Wir können eine Menge tun«, widersprach Tara. »Und wir können die Schutzengel um Hilfe bitten.«
    »Bist du sicher?«
    »Hundertprozentig. Und es hilft auch, zu wissen, dass Joe und die Polizei ebenfalls fieberhaft nach ihr suchen. Eliza hat viel mitgemacht, ist stark, Annie. Sie hat ein kleines Licht in ihrem Inneren. Das kann man sehen, und dafür lieben wir sie.«
    »Ja, das tun wir«, flüsterte Annie.
    Dann schrie abermals eine Eule von der Spitze der höchsten Kiefer, schien damit zu signalisieren, dass sie Beute gesichtet hatte. Tara küsste sie, und Annie versuchte, gleichmäßig zu atmen. Sie dachte an Eliza, dort draußen in der Nacht, irgendwo an der Felsenküste mit ihren kleinen und großen Buchten, an die kalte Erde, mit Laub und Kiefernnadeln bedeckt, und an die Dunkelheit, die nur von den Sternen erhellt wurde.
    Ihr Holzboot stand auf dem Nachttisch; sie betrachtete es und dachte daran, dass sie es ihrem Vater geschenkt hatte, damit er wusste, zu wem er nach Hause rudern musste. Sie schloss die Augen, dachte an Eliza und das Licht in ihrem Inneren.
    Und dann, sie wusste selbst nicht, aus welchem Grund, nahm sie das Holzboot in die Hand und schüttelte es sachte. Das Rappeln war noch da.
     
    Dan saß auf dem Sofa, den Arm um Bay gelegt, die mit dem Kopf an seiner Schulter schlief. Es war spät, und Eliza war irgendwo dort draußen, in der nächtlichen Dunkelheit. Er starrte das Telefon an, als wäre er imstande, es durch reine Willenskraft zum Läuten zu bringen. Joe hatte ihn gebeten, zu Hause zu bleiben und neben dem Telefon zu wachen, doch jeder Muskel in seinem Körper schmerzte, weil es ihn danach verlangte, seine Tochter zu suchen.
    Seine Gedanken dröhnten in der Stille. Er kam sich vor wie ein Quarterback am Montagmorgen, der nach einem verlorenen Footballspiel Bilanz zog und herauszufinden versuchte, was er anders gemacht haben könnte. Während er Bay in den Armen hielt, betrachtete er Charlies Porträt, das Bild seiner unglücklichen Frau. Sie waren Elizas Eltern, hielten gemeinsam Wache.
    Charlie … Sie war mit zahlreichen Privilegien aufgewachsen. Ihr war klar gewesen, dass sie zur Aristokratie gehörte, zu den oberen Zehntausend. Ihre Familie hatte seit Generationen Geld im Überfluss besessen; sie gab in einem Jahr mehr für wohltätige Zwecke aus, als andere zu Lebzeiten verdienten. Sie besaß ein unerschütterliches Überlegenheitsgefühl – nie arrogant, aber sehr reserviert. Eigenbrötlerisch.
    Den Eindruck hatte Dan zumindest gehabt, als sie sich kennen lernten, in dem Jahr nach seinem Ferienjob in Hubbard’s Point. Ihr Onkel hatte ihn beauftragt, eine herrliche alte Segelyacht aus Holz zu überholen, eine Concordia-Jolle. Die Arbeit sollte auf einer Werft in Stonington durchgeführt werden, im Hafen, genau gegenüber Charlies Elternhaus. Herrenhaus, genauer gesagt. Ein imposantes weißes Haus im Kolonialstil mit Wirtschaftsgebäuden und eigenem Bootssteg. Dan war auf Charlie aufmerksam geworden, sah sie jeden Tag: immer alleine, scheinbar mit sich selbst beschäftigt.
    Eines Tages, in der Mittagspause, hatte er ein Dingi zu Wasser gelassen und war ans andere Ufer gerudert. Er hatte das arme kleine, reiche Mädchen bedauert, ihr eine Freude machen und sie zu einer Bootsfahrt mitnehmen wollen.
    Er erinnerte sich, wie er am Steg angelegt und ihr über den weitläufigen grünen Rasen zugerufen hatte, ob sie Lust hatte, ihn zu begleiten. Er erinnerte sich noch heute daran, wie sie ihr Buch umsichtig auf die Gartenbank gelegt, ihre Hose glatt gestrichen und sich zum Wasser begeben hatte. Er hatte ihr die Hand entgegengestreckt, um
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