Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
erkennen, dass er an das Gleiche dachte. Erinnerte er sich an ihre Überraschung und Freude, als sie die Schaukel zum ersten Mal ausprobiert und er sie angeschoben hatte? Sie sah die Stelle genau vor sich: eine sonnige Lichtung mitten im Wald, unweit des Fußpfads zum Little Beach. Die Stricke, an denen die Schaukel befestigt war, hatten wie Kletterpflanzen ausgesehen, und niemand außer Bay konnte sie finden.
    »Nein.« Sie sah in seine blauen Augen. »Die Stricke waren schon vor Jahren verrottet. Ich bin mit meiner ältesten Tochter dorthin gegangen, um ihr die Schaukel zu zeigen. Der Sitz ist noch da. Ich warte immer noch darauf, dass er sich in den Mond zurückverwandelt und einfach am Firmament verschwindet.«
    Er stand reglos da, an eines der Boote gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Du hast sicher ganz andere Sorgen als eine alte Schaukel im Wald«, sagte er.
    »Ja.«
    »Ich wünschte, ich könnte dir weiterhelfen.« Noch während er sprach, ging er ihr voraus durch die Halle – der Staub flimmerte wie Gold im grellen Sonnenlicht, das durch die offenen Türen fiel – und betrat ein kleines Büro an der Rückseite. Bay, die ihm gefolgt war, sah, wie er in einem Stapel Papiere auf einem alten Schreibtisch kramte.
    »Hübsch«, sagte sie, die erlesenen Schnitzereien in dem dunklen Holz betrachtend: Fische, Muschelschalen, Seeungeheuer und Meerjungfrauen.
    »Er gehörte dem Großvater meiner Frau. Die Schnitzereien stammen von meinem Großvater. Eine lange Geschichte …«
    »Ist sie das? Deine Frau?« Bay musterte das gerahmte Foto von Eliza und einer hübschen Frau mit hellen Haaren und blasser Haut; beide trugen Strohhüte mit langen blauen Bändern.
    »Ja. Das ist meine Charlie …«
    Bay brach fast das Herz, als sie hörte, wie er
meine Charlie
sagte. Mit so viel Liebe und Gram, dass keinerlei Zweifel an seinen Gefühlen bestehen konnte. Als er nun das Foto ansah, verengten sich seine Augen, als bereitete ihm der Verlust, das Wissen, seine Frau niemals wieder zu sehen, immer noch unendliche Qualen. Bay fragte sich, wie sie gestorben sein mochte, wusste aber, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, danach zu fragen. Ihre Gefühle Sean gegenüber waren gemischt: Sie wünschte sich, nichts als Liebe für ihn empfinden zu können, Bedauern wegen der verpassten Chancen, der guten Zeiten, die sie miteinander verbracht hatten.
    »Du musst sie vermissen«, sagte Bay hölzern.
    »Ja.« Er runzelte die Stirn, während er weiter in den Rechnungen auf dem alten geschnitzten Schreibtisch blätterte. »Wir beide.«
    Bay konnte ihren Blick nicht vom Bild seiner Frau lösen – sie hatte umwerfende Augen, einen offenen Blick. Hatte Dan das Foto aufgenommen? Bay erkannte den Hintergrund – das Karussell auf dem Watch Hill – einem bei allen kleinen Mädchen im Süden Neuenglands beliebten Rummelplatz. Annie und Pegeen waren ganz versessen darauf, genau wie ihre Mutter und Tara vor ihnen.
    Ihr Blick schweifte durch den Raum. Große Fenster, die auf den Thames River hinausgingen. Am anderen Ufer Electric Boat, mit einem Unterseeboot in der Werft. Fähren glitten vorüber – das Hovercraftboot raste aufs Meer hinaus, gerade als das Cross-Sound-Boot, von Long Island kommend, einlief. Kleine Segelboote kamen vorbei, mit strahlend weißen Segeln und Rümpfen.
    »Irgendwo muss der Auftrag sein«, sagte er. »Er hatte zahlreiche Sonderwünsche; wenn ich ihn nur finden könnte …«
    »Mein Mann ist eigentlich kein Mensch, der sich etwas aus Holzbooten macht. Deshalb wundert es mich, dass er zu dir gekommen ist.« Ihr Blick wanderte zum Zeichentisch, auf dem Skizzen von Ruderbooten ausgebreitet waren, zu den Bücherregalen, die neben den gesammelten Werken von E. B. White und einem Stapel alter Schifffahrtmagazine Fachliteratur über die klassischen Yachten wie die Herreshoffs und Concordias enthielten. »Hat er etwas von Briefen erwähnt?«, fragte Bay unvermittelt. »Ich meine die Briefe, die wir uns geschrieben haben?«
    »Du und ich?« Dan blickte hoch. »Nein, hat er nicht. Mein Gott, das ist Ewigkeiten her …«
    Und ich habe sie alle aufgehoben, dachte Bay. War das verrückt? Sie musterte abermals das Foto von Charlie und fühlte sich unbehaglich. Woran hatte sie sich all die Jahre geklammert? Hätte sie die Briefe nicht längst weggeworfen, wenn ihre Ehe wirklich jemals glücklich gewesen wäre? Dan hatte in Charlie fraglos die große Liebe seines Lebens gefunden … Bays Blick schweifte über

Weitere Kostenlose Bücher