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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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und wurde nur noch – sofern überhaupt möglich – von ihren Bemühungen übertroffen, es zu leugnen. Mit solchen Reaktionen wurde Joe ständig bei derartigen Fällen konfrontiert: Die Betroffenen wollten oder konnten nicht glauben, dass ein so netter, vertrauenswürdiger Mensch ihr Geld unterschlagen haben könnte. Die Opfer zu einer Zeugenaussage zu bewegen war nicht selten ein hartes Stück Arbeit. Abgesehen von Augusta Renwick, dachte Joe und lächelte, als er sich an ihren Anruf von heute früh erinnerte: Sie hatte gesagt, sie wünschte, dass Ganoven drei Leben besäßen, damit sie mehrmals das Vergnügen hätte, im Zeugenstand zu sitzen und ihren Abscheu vor Sean McCabe aktenkundig zu machen.
    Doch sie war die Ausnahme, nicht die Regel. Die Mehrzahl der Zeugen redete sich ein, es müsste eine Erklärung geben oder es liege nur ein Versehen vor – vielleicht sei das Geld infolge eines Buchungsfehlers auf einem falschen Konto gelandet.
Auf Nimmerwiedersehen
, wie Joes Mentor in solchen Fällen zu sagen pflegte.
    In Seans Fall war jedoch ein Teil des Geldes wieder aufgetaucht. Von den einhundertfünfundsiebzigtausend Dollar, die mit Sean verschwunden waren, hatte man hunderttausend hinter der Innenverkleidung der Fahrertür gefunden.
    Joe ging das Beweismaterial noch einmal durch und versuchte sich darüber klar zu werden, ob Sean die Tat alleine begangen hatte. Er überflog die Dokumente in dem Aktenordner, der auf der
Aldebaran
gefunden worden war. Warum nahmen diese Konten eine Sonderstellung ein? Waren es die einzigen Kunden, die Sean bestohlen hatte? Und warum hatte er so vehement den Rand bekritzelt? Wer war Ed, und weshalb war sein Name mehrmals unterstrichen und mit einem Kreis markiert worden?
    Bei seinen Stippvisiten in der Zentrale der Shoreline Bank wurde Joe stets von Mark Boland, dem Vorstand, höchstpersönlich begrüßt. Er hatte alle nötigen Unterlagen zur Verfügung gestellt und sein Personal angewiesen, offen und entgegenkommend zu sein.
    Boland, um den guten Ruf der Bank besorgt, war daran interessiert, dass die Ermittlungen so bald wie möglich abgeschlossen wurden.
    »Wir hatten alle keine Ahnung«, sagte Boland; er saß Joe gegenüber in seinem wuchtigen Drehsessel auf der anderen Seite des Schreibtisches. »Sean war bei jedermann beliebt. Ohne Ausnahme.«
    »Wie war Ihr privates Verhältnis?«
    »Gut. Es gab eine Phase – vor ein paar Jahren, als ich von der Anchor Trust kam, um den Posten zu übernehmen, den er ins Auge gefasst hatte –, in der die Beziehung angespannt war, aber das legte sich bald. Wir interessieren uns beide für Sport, haben während der Schul- und Collegezeit in einer Mannschaft gespielt; er hat mir zur Mitgliedschaft im Yachtclub verholfen … außerdem spielt mein Neffe mit Billy Baseball, und wir saßen immer zusammen auf der Zuschauertribüne. Ich hätte nie mit so etwas gerechnet. Niemals.« Boland strich sich mit einer Hand die Haare zurück; seine Augen waren schmerzerfüllt. »Wenn er Geld gebraucht hätte – was auch immer –, hätte er zu mir kommen können.«
    »War er mit irgendeinem Mitarbeiter der Bank besonders eng befreundet?«
    »Mit Frank Allingham.«
    Das war Joe bereits bekannt, aber sie hatten die Gelegenheit genutzt, Allingham ins Büro zu bitten. Frank war ein kleiner, kahlköpfiger Mann, leutselig und umgänglich. Er war derjenige gewesen, der Bay am ersten Tag angerufen und ihr gesagt hatte, dass Sean nicht zur Ausschusssitzung erschienen war.
    »Hatten Sie irgendeinen Verdacht, was da lief? Wirkte Sean besorgt? Unkonzentriert? Verschlossen?«
    »Nein, nichts von alledem.«
    »Drogen. Wussten Sie, dass er Kokain nahm?«
    Mark Boland schüttelte heftig den Kopf. Allingham zögerte.
    »Wussten Sie etwas davon?«, hakte Joe nach.
    »Einmal, auf der Heimfahrt von Eagle Feather, fragte mich Sean, ob ich jemals Kokain geschnupft hätte. Ich sagte nein, und er meinte –«
    »Nur zu, Mr.Allingham.«
    »Er meinte, es sei fantastisch, als könnte man fliegen. Und …« Trotz der Sommerbräune sah man, wie der Mann vom Hals bis zum glänzenden Scheitel seines kahlen Schädels errötete. »Und der Sex sei damit unglaublich.«
    »Hatte er an jenem Abend geschnupft?«
    Frank schüttelte den Kopf. »Nicht in meinem Beisein. Ich habe keine Ahnung, warum er das Zeug brauchte. Sean strotzte vor Energie und Selbstbewusstsein – war immer im Aufwind. Er brauchte kein Kokain, um zu fliegen.«
    »Wenn ich gewusst hätte, dass er Drogen nimmt«,

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