Sommerglück
privat ist.
Sehr
privat, und ich mag es nicht, wenn Fremde in meinem Leben herumschnüffeln. Ich will nicht, dass sie von uns beiden erfahren – und überhaupt, wozu das Ganze? Sean ist tot.«
»Willst du nicht wissen, warum er die Unterschlagungen begangen hat?«
»Ich bin mir nicht sicher. Das Einzige, was ich mir wünsche, ist, dass meine Familie wieder ein einigermaßen normales Leben führen kann.«
»Das wünsche ich euch auch, Bay, von ganzem Herzen. Ich wollte, ich könnte irgendwie dabei helfen.«
»Annie mag Eliza. Sehr sogar. Sie hat mich gefragt, ob ich sie irgendwann nach Mystic fahre, damit sie sich sehen können. Und wir würden uns freuen, wenn Eliza uns besucht.«
»Sie auch, da bin ich mir sicher. Hast du an einen bestimmten Tag gedacht?«
»Wir müssen uns natürlich erkundigen, was bei den beiden im Terminkalender steht.« Bay lächelte. »Ich möchte nicht vorgreifen, aber wie wäre es mit Samstag?«
»Gut. Und was ist mit der anderen Sache – der Anruferin?«
»Ich schätze, du wirst es der Polizei nicht verheimlichen können. Es tut mir leid, dass du jetzt auch noch in die Ermittlungen hineingezogen wirst, nur weil du Sean kanntest.«
Dan zuckte zusammen, als wäre ihm der Gedanke noch gar nicht gekommen. Sein Blick umwölkte sich, wirkte besorgt. Sie wartete auf eine Antwort, aber er blieb stumm.
»Danny?«, fragte sie nach mehreren Sekunden.
»Wie du bereits sagtest, es gibt Dinge, die ganz privat sind. Seltsamer Gedanke, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen oder zu warten, dass sie Verbindung zu mir aufnimmt.«
Bay schloss die Augen. Sie wünschte, die Polizei würde endlich aus ihrem Leben verschwinden. »Ich weiß. Wenigstens fällt auf dich kein Verdacht. Erzähl ihnen von dem Anruf, was immer du für richtig hältst. Und ich werde sie wohl auch über den Brief informieren müssen.«
»Gut. Dann wäre das geklärt.«
Sie öffnete die Augen und trank einen Schluck Limonade. »Warum kommt es mir so vor, als wären wir Verschwörer, wir beide gegen den Rest der Welt?«
»Genau wie früher. Als die Herrschaften vom Strandausschuss grüne Fensterläden am Wachhäuschen haben wollten und ich sie blau strich, weil Blau deine Lieblingsfarbe war.«
»Stimmt.« Sie versuchte zu lächeln. »Das hatte ich ganz vergessen. Du hast mich manchmal hierher eingeladen, mir eine Limonade spendiert … als kleines Dankeschön dafür, dass ich dir so fleißig zur Hand gegangen war, wie du sagtest.«
»Damit du mich nicht für einen Ausbeuter hieltest. Und außerdem gab es hier die beste Limonade. Daran hat sich nichts geändert.« Er leerte sein Glas. »Was macht sie so einmalig?«
Die Limonade im Foley’s war berühmt, sie wurde aus frischen Zitronen und zwei weiteren Zutaten zubereitet, die allerdings geheim waren. Nur die Foley-Familie – nicht einmal die Jugendlichen, die hier im Sommer als Aushilfe arbeiteten – kannte das Rezept. Zu Bays Zeiten hatte Tara Allies Job gehabt und gelobt, nicht eher Ruhe zu geben, bis sie die beiden Ingredienzien erraten hatte. »Frische Minze«, lautete ihr Tipp, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Oder »Limettenschale«, oder »Cayennepfeffer!« Doch ungeachtet aller Bemühungen gelang es niemandem in Hubbard’s Point, den Geschmack haargenau zu kopieren.
»Was sie so einmalig macht? Das weiß keiner«, sagte Bay.
»Nicht einmal du, Galway? Nach so vielen Sommern, die du hier verbracht hast?«
Sie sah ihn an und dachte daran, wie schnell diese Sommer vergangen waren. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt, die Haare ergrauten an den Schläfen, doch seine blauen Augen waren noch genauso lebendig wie früher, jederzeit zu einem Lächeln bereit.
»Nicht einmal ich.«
»Der alte Mr.Foley wollte, dass ich seine Tische restauriere«, sagte Dan. »Das Holz bis zur Maserung abschleife. Um die Initialen zu entfernen …«
»Die Jugendlichen hätten sie nur wieder eingeritzt.«
»Das wurde ihm wohl auch klar.«
»Ein alter Brauch am Strand … eine einfache Sache.« Bay zeichnete Seans tief eingeritzte Initialen mit den Fingerspitzen nach.
»Ich wünschte, wieder Farbe in dein Leben zu bringen wäre genauso leicht, wie damals die Fensterläden blau zu streichen, Bay McCabe«, sagte er. »Oder dir eine Limonade zu spendieren.«
Sie blieb ihm die Antwort schuldig. Sie trank aus und saß stumm da, an dem alten vernarbten Tisch, hielt das kühle, leere Glas in den Händen und wartete darauf, dass der Kloß in ihrem Hals
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