Sommerglück
Licht führen konnten, aber Bay schien nicht in diese Kategorie zu gehören. Die Sommersprossen, die Art, wie sie ständig aus dem Fenster sah, auf den vor ihrem Haus parkenden Wagen, ihre durchdringenden Augen, denen man ablesen konnte, dass sie Joe hasste, weil er ihre Kinder in den Schmutz zog: All das sprach für ihre Unschuld.
Joe war sich nicht sicher, wie, aber er würde diesen Fall aufklären und ihr einige Antworten präsentieren. Das war das Mindeste, was Tara O’Toole von ihm erwarten würde. Genau wie sein Dad, nebenbei bemerkt. Joe wollte, dass Bay und die Kinder die Sache ohne weitere Verluste durchstanden. Sie hatten bereits den Familienstolz und die Würde eingebüßt, hatten den Ehemann und Vater verloren. Joe, der ihr Sparkonto gesehen hatte, wusste, wie hoch die Hypothek war, und befürchtete, sie würden auch noch ihr Haus verlieren.
Sean hatte seine eigenen Gewinne vorsorglich zwischen Reserverad und Wagenheber zu verstecken gewusst, aber es war ihm nicht gelungen, für seine eigene Familie vorzusorgen – ihr die Sicherheit zu geben, dass sie ein Dach über dem Kopf hatte.
Möglich, dass Joe nie Frau und Kinder haben würde, aber eines war sicher: Wenn es dazu käme, würde er es besser machen. Er hatte aus den Fehlern der Schwachköpfe gelernt, die ihm im Laufe seiner jahrelangen Ermittlertätigkeit begegnet waren – den Familienvätern, die ihre Familie an die allerletzte Stelle setzten; er würde alles ganz anders machen.
Aber er war siebenundvierzig, die Zeit lief ihm davon. Im Gegensatz zu Ralph Benjamin, dem Anwalt, und Frank Allingham, dem Bankmanager, besaß er noch alle Haare und war, dank der Zugehörigkeit zum FBI , in Topkondition. Trotzdem war er ein paar Jahre zu alt, um jetzt noch vor den Traualtar zu treten und ein Kind in die Welt zu setzen. Er fragte sich, ob Tara jemals verheiratet gewesen war. Und wie es wäre, am Abend zu ihr zurückzukehren, nach Hause, wo sie an der Türschwelle auf ihn wartete mit ihren umwerfenden blauen Augen und dem verführerischen Lächeln.
Konzentriere dich lieber darauf, Verbrechen aufzuklären, Holmes, ermahnte er sich. Die Bösewichter zu fangen. Das ist deine Aufgabe, also tu es.
Doch jetzt war es Zeit, für heute Feierabend zu machen, und so schloss er den Silberbecher, die Fotokopien der Briefe und das gelbe Blatt Papier in den Safe seines Büros ein, schob den Gedanken beiseite, was für ein guter Ehemann er gewesen wäre, und ging in den Laden nebenan, um zu sehen, ob Andy vielleicht irgendetwas Altes von Bob Dylan hatte.
Der Abend war windstill und kühl, doch die extreme Hitze des Tages stieg unvermindert aus der trockenen Erde, dem blauen Felsgestein und den Rosenbüschen empor. Sie waren mit dem Essen fertig – gegrilltes Hühnchen und in Scheiben geschnittene Tomaten aus Taras Garten. Billy und Pegeen waren im Freilichtkino am Strand; Annie saß im Fernsehzimmer, der Ton war leise gedreht, aber das bläuliche Licht wurde von den Wänden reflektiert.
»Komm doch raus, Annie«, sagte Bay ruhig. »Komm zu Tara und mir. Wir halten nach Sternschnuppen Ausschau.«
»Ich habe keine Lust.« Annie sah hoch. »Muss ich?«
Bay lächelte. »Nein, aber wir würden uns freuen.«
»Ich weiß. Ich bin okay, Mom. Eliza hat gesagt, dass sie vielleicht anruft. Ich möchte in der Nähe des Telefons bleiben.«
»Wir hören das Läuten auch draußen.«
»Schon, aber –«
»Keine Bange«, sagte Bay und küsste sie. »Ich verstehe schon.«
Sie erinnerte sich daran, wie Tara und sie mit zwölf gewesen waren. Sie waren füreinander das Wichtigste auf der Welt gewesen. Als Bay nun in die Küche ging, stellte sie fest, dass Tara bereits abgewaschen hatte und draußen wartete. Sie saß barfuß auf einer Chaiselongue und betrachtete die vom Dunst verhangene und mit Sternen angefüllte Milchstraße. Bay trat ins Freie, um ihr Gesellschaft zu leisten.
»Hörst du das?«, fragte Tara, als Bay nach dem Gespräch mit Annie aus dem Haus trat, versunken in den Moment.
»Du meinst die Grillen?« Bays Garten grenzte an die Marsch mit dem dichten, dornigen grünen Gras, einem Paradies für Grillen.
»Nein, den Ziegenmelker. Hör doch!«
Sie warteten beide schweigend, bis der Nachtvogel abermals schrie – weit entfernt, auf der anderen Seite des Wassers. Bay hob die Brauen, um anzudeuten, dass sie es vernommen hatte.
»Ein gutes Omen«, meinte Tara.
»Glaubst du?«
»Ich weiß es.«
»Hmm.« Sie schwiegen abermals, und Tara fragte sich,
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