Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Wir hatten Heinrich von Plottnitz den Dienst erwiesen, mit unserem Erscheinen als gefühlte Großfamilie die Exgemahlin emotional weichgeklopft und auf diese Weise einen Traumpreis ausgehandelt zu haben. Diese achtzigtausend Euro bekam auch der Senior nun wieder zusammen. Schließlich lag auch dem gealterten Plottnitz das Haus noch sehr am Bypass. Konrad schlug von England aus und in einer Anwandlung von Manchesterkapitalismus die nächsten Maßnahmen vor.
Absender: Konrad Volkmann.
Uhrzeit: 02:07.
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: MAXIMAL SCHLECHTE NACHRICHTEN
Die Gefühle von dieser Mischpoke sind mir egal, auf unsere Gefühle nimmt ja auch keiner Rücksicht. Ich rufe morgen früh den Vorkaufsrecht-Plottnitz an und sage: ›Wir werden unser Angebot deutlich erhöhen, so weit, bis ihr nicht mehr könnt – und dann hast Du auch nix davon. Dann schreibe ich einen Brief an Frau von Plottnitz und biete 100 000. Wenn sie drauf einsteigt, gehen wir zum Notar und machen einen neuen Vertrag! Wir behaupten einfach, er habe sein Vorkaufsrecht noch gar nicht geltend gemacht. Er hat dem Notar gegenüber ja auch noch nichts dergleichen bekundet. Das muss jetzt ganz schnell gehen.
Zu allem entschlossen,
Konrad
Alle waren emotional geladen genug, um ihren Segen zu diesem Winkelzug zu geben, dessen Schmierigkeit uns allen erst viel später so richtig bewusst werden sollte. Zunächst mal wurde es unübersichtlich. Die dreihundertzwanzig E-Mails, die zum Thema Liepe noch über den Verteiler gingen, waren ein Lehrstück darüber, zu welchen Verdrängungsleistungen Menschen fähig sind, die aus einem schönen Traum nicht aufwachen wollen. Indem wir uns gegenseitig die Hoffnung suggerierten, wir könnten irgendwann doch noch unsere Hängematte zwischen den Obstbäumen am Odersee aufhängen, munitionierten wir uns mit juristischem Wissen, strickten neue Angebote, erzeugten mit handschriftlichen Briefen Druck, spürten gesetzliche Unschärfen auf, beraumten Notartermine an, ließen Gutachten anfertigen – verstiegen uns in juristische Schattenfechtereien. Vergebens.
»Nun seht es einfach ein! Der Gesetzgeber will, dass das Vorkaufsrecht nicht so leicht unterlaufen werden kann«, trichterte uns der Notar in einem abschließenden Blut-Schweiß-und-Tränen-Termin am Kudamm ein. »Wenn, dann hättet ihr euch gleich zu Beginn mit dem Vorkaufsrechtinhaber an einen Tisch setzen müssen. Ihm ein gutes Angebot machen und vertraglich festhalten, dass er von seinem Recht zurücktritt. Wie’s halt mal üblich ist.«
Bis zu diesem Aufprall auf den Boden der Tatsachen hatten wir uns schon ordentlich verzettelt, juristisch wie menschlich. Man musste die E-Mail-Betreffzeilen dieser Wochen nur einmal hintereinander lesen, dann ergaben sie ein kleines Betreffzeilendrama: Maximal schlechte Nachrichten; Genossen, ab in die Aufstockung!; Dallas im Oderbruch; Telefonnummer Heinrich von Plottnitz; Liepe ist gestorben; Liepe doch nicht tot; Treffen noch heute Abend; Vorgehensweise; offene Fragen; alles Scheiße; Ruhe bewahren und mehr erfahren; Action und zwar schnell; Gebot abgeben; habe mit Frau Plottnitz gesprochen; Gerichtsurteile zum Vorkaufsrecht, Vertragsänderung klappt; Bestätigung Beurkundung; trotzdem weitersuchen; Frau von Plottnitz kommt zum Notar; Beurkundung Liepe; so weit alles gut; Schreiben vom Anwalt von Heinrich von Plottnitz; Taktik der Gegenseite; Vertragsänderung doch komplizierter; Gesetzgeber schützt Vorkaufsrecht; Liepe endgültig gestorben.
Das schwarze Loch, das sich nach dem finalen »Pling« der letzten eintreffenden E-Mail zum Thema Liepe auftat, wussten die Schönbergers und wir gut zu füllen: Elke und Simone brachten ihre Babys zur Welt. Kinderkriegen war das gerüttelte Maß an Ablenkung, das man in dieser Situation brauchen konnte. Der Rest der Truppe spaltete sich hinsichtlich des individuellen Umgangs mit dem Horror Vacui in zwei Lager. Während der größere Teil in einem Zustand der Paralyse versackte, betäubten die anderen ihren Schmerz mit der Hyperventilation neuer Immobilienangebote. Schon um an jedem Wochenende einen zwingenden Grund zu haben, die Stadt zu verlassen, strickten sich vor allem Andine, Konrad und Mette einen straffen Besichtigungsplan. Am Wochenende nach dem endgültigen Liepe-Aus hatten sie noch einmal versucht, so wie früher den ganzen Samstag in der Sonne zu sitzen, im Akkord Latte zu trinken und Bekannte zu treffen. Allein, ohne die optionale Zuflucht auf dem Lande machte
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