Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

links.«
    »Verstehe ich nicht.«
    »Ja, wir auch nicht. Auf jeden Fall sind wir in einer halben Stunde wieder da.«
    »In einer halben Stunde erst? Wo seid ihr denn? Güstow ist doch nur ein paar Dörfer weiter!«
    »Nee, ungefähr zwanzig Dörfer weiter. Hinter Prenzlau.«
    »Moment mal …«
    Konrad sprach kurz mit Schröder, dann wieder mit mir: »Also meine Herren, ihr wart im falschen Güstow.«
    Ich drückte Konrad weg und schleuderte das Handy auf den Rücksitz. Wortlos und mit wummerndem Reggae fuhren wir durch die uralte Allee, die über weite Hügel bis Maltrin führte.

SCHWARMINTELLIGENZTEST
    Freudensprünge löste die Steineholaktion, die letztendlich keine war, bei den Freunden vom Weidenhof zwar nicht gerade aus, Jauche wurde aber auch nicht ausgegossen über uns. Die Ollis waren nach allgemeiner Lesart schon gestraft genug. Wir hatten beim Initiationsritus für zugezogene Landbewohner, dem Reichsbrandklau, kläglich versagt und mussten zudem noch ein saftiges Ordnungsgeld für die illegale Wintergartenschrott-Entsorgung vor der Bürzower Ruine aus der Privatschatulle bezahlen. Die »Spur der Steine« wurde zum Präzedenzfall. Niels stellte in einer E-Mail klar: Blödheitsbedingte Schäden, die durch einfaches Anspannen der geistigen Kräfte zu vermeiden gewesen wären , sollten nicht oder höchstens zum Teil vergesellschaftet werden. Damit es vor der Arbeit einen Anreiz zum Nachdenken gibt. Der Kommentar saß.
    Von dieser ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung mal abgesehen war eine gescheiterte Initiative nach Auffassung der Mehrheit aber immer noch besser als null Initiative. Initiative im Allgemeinen und die Lust am Gestalten unseres Maltriner Großods war nach den Erfahrungen des letzten Herbstes ein zartes Pflänzchen, das gehegt und gepflegt werden musste. Jeder sollte sich nach seiner Fasson einbringen, lautete das Credo: Mit offenen Augen übers Gelände gehen, sehen , was gemacht werden muss, und sich das herauspicken, woran er oder sie Freude fand. Je nach persönlichen Vorlieben wurde dieses Prinzip auch ideologisch unterfüttert: von Konrad neoliberal als freies Spiel der Kräfte, von Niels internetaktivistisch als Basisdemokratie à la Web 2.0, von Simone linksanarchistisch und von den meisten anderen »irgendwie so als Gebot der kreativen Selbstentfaltung«.
    Die Renovierung des Weidenhofs durch organische Entwicklung und individuelles Engagement mit spielerischem Charakter, aber ohne Masterplan bot sich allein schon deshalb an, weil so ein blindwüchsiger Prozess mit wunderbar wenig Koordinationsaufwand einherging. Und der Tatendrang, der darüber aufkam, war auch beeindruckend. Beeindruckend unmethodisch. Er schlug sich nieder in E-Mails, die eine Flut von Listen mit Teilprojekten, To-dos und Denkanstößen ins Postfach schwemmten. Nach einer Zeit gab ich es auf, sie noch von Anfang bis Ende durchzulesen, und verlegte mich darauf, die Texte in kreisenden Augenbewegungen auf mich wirken zu lassen. Da konnte einem schwindelig werden.
    ZU TUN : Haustreppe ab- und ordentlich wieder aufmauern, Bürgersteig vom Unkraut befreien – es kam ein Mahnbrief der Gemeinde, Kellerfugen verputzen, Garten bepflanzen – jedes Jahr zählt, wenn’s mal groß werden soll, Regenrinnen erneuern/ausbessern, Urwald hinter der Scheune lichten, die alte Treppe zum See erneuern, neue Elektrik im Haus verlegen, kleinen Riss in der Dusche mit Silikon füllen, gebrauchte Möbel mal richtig putzen. ZU KAUFEN : Rollgerüst, Regenrinnen, Fallrohre, Kies, Sand, Gartengeräte, Motorsäge, Schnittschutzhosen und Helm für Kettensägearbeiten, neues Türschloss mit vielen Schlüsseln, Holz in allen Größen, Spülmaschine, Betten und Matratzen, Schränke und Regale. PREISINFOS EINHOLEN : Elektriker vergleichen, Gebäudeschutzversicherung, Elementarschädenversicherung, Gebäudeeigentümerhaftpflicht – wenn sich vor dem Haus einer die Haxen bricht. INFOS EINHOLEN : Mit welchen Pflanzen können wir das Haus bewachsen lassen, ohne den Putz und das Mauerwerk zu schädigen? AUSSCHAU HALTEN : Baudielen aus Sanierungshäusern liegen in Berlin an jeder Ecke rum, wir brauchen Leitern in allen Größen. NACHDENKEN/MESSEN : Was ist jetzt mit Fußböden abschleifen und Wände streichen? DISKUTIEREN : Elektrik selbst verlegen oder den Dorfelektriker beauftragen und das Prüfsiegel bekommen. Wollen wir jetzt Zentralheizung oder noch einen Winter mit Öfen? Sollen wir die Außenfassade noch mal streichen oder gleich zuranken