Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
sich aber bald abzeichnete, war, dass diese Doppelstrategie ihn zu einem Zwitterwesen, dem typisch Neuberliner Vertreter des feindlichen Mitmachens werden ließ. Sonntagnachts pflegte er die bürgerliche Antibürgerlichkeit in der Müßiggang-Bar – um geregelten Arbeitsverhältnissen von vornherein eine Absage zu erteilen, öffneten viele Untergrundbars gerade nicht an Freitagen und Samstagen –, um montagmorgens um sieben mit mehrlagigen Augenringen wieder dem Staat zu dienen. Dienstags inhalierte er kritische Gesellschaftstheorie im Hauptseminar am »OSI«, mittwochs arbeitete er als Excel-Tabellen-Bienchen fleißig in seiner Bürowabe im Ministerium. Und am Abend ließ er sich mit Trash- TV berieseln.
Diese gegenläufigen an Olli wirkenden Zugkräfte ließen ihn von Zeit zu Zeit zynisch werden. Fest zu seinem Repertoire gehörte es eine Zeit lang, wenn wir in ausgelassener Stimmung beisammensaßen, mit seinem Dienstausweis zu wedeln und uns an sein Recht als Bundesbeamter zu erinnern, unangemeldete Versammlungen auflösen lassen zu dürfen. – »Auch diese hier«, drohte er. Und trotz der Verve, mit der Olli sein hochtheoretisches Zweitstudium anging, wusste er durch seinen seit jeher extensiven TV -Konsum entlarvend gut auch über alle A-, B- und C-Promis Bescheid und gab ihre Geschichten zum Besten: »Ihr wisst ja sicher, dass der Bassist aus der Dalli-Dalli-Showband mal mit Jennifer Rush verheiratet war?« Nur um im nächsten Moment in eine vollkommen überdrehte soziologische Theoriesprache zu wechseln, der Olli dadurch einen Anstrich von Nonsense verlieh: »Ich sage ja, die medientechnologische Entzauberung des Menschen als Entropiemaschine provoziert revolutionsromantische Immediatutopien reziprok kommunizierender Kollektive.«
Unser Haus in Maltrin war für Olli »der Ort, wo man nach einem sauber durchkomponierten Scheißtag mit vielen Meetings und unbequemer Unterhose durch einen Sprung in den See Befreiung findet«. So sagte er es. Maltrin war mithin ein Gegenort mehr für ihn, einer, an dem es ruhig deutlich farbenfroher zugehen durfte. Vielleicht folgte Olli ja deshalb ohne zu murren Konrads direktivistischem Vorschlag, er solle den Hausanstrich übernehmen. Als Gruppenleiter Hausstreichen hatte Olli es nun selbst in der Hand. Ausdrücklich wurde Elke, Jörg, Jana und ihm die alleinige Verantwortung für die Aufhübschung des mausgrauen Maltriner Hauses übertragen.
Als Jana und Olli Freitagabend kurz vor Ladenschluss das Biofarben-Fachgeschäft Linke betraten, fegte der Verkäufer schon den Fußboden. Wegen einer Sitzung im Ministerium war Olli spät dran und hätte die Farbaktion am liebsten ganz abgeblasen. Aber Jana und er hatten keine Wahl: In Maltrin saßen mit Niels, Jörg und Elke drei freiwillige Anstreicher in den Startlöchern.
Olli und Jana hatten nur eine vage Vorstellung von dem Farbton, der es sein sollte. Im Grunde war es nicht mal eine Vorstellung, es war nur so ein Gefühl von Farbe. Sie schlenderten eine Weile an dem Regal mit den Farbtöpfen auf und ab. Die Frage, welcher Anstrich sich an der Fassade des Weidenhofs gut machen würde, wurde erst recht nicht einfacher zu beantworten, wenn die beiden sich klarmachten, dass es ja nicht nur um ihre persönlichen Vorlieben ging, was ja erfahrungsgemäß schon kompliziert genug war. Da schwangen noch ganz andere Anforderungen mit: Die Dialektik des unspießigen Verschönerns ebenso wie deren Ablehnung mit der Forderung, endlich einen eigenen erwachsenen Stil zu entwickeln. Trotz der neuen Entscheidungsgewalt hatten Olli und Jana den vielstimmigen Chor der Hausgenossen sehr wohl noch im Kopf, und düpieren wollten sie ja auch niemanden.
In diesem Käfig von Restriktionen hatte die Gruppe schon in ihrer ersten Planungssitzung mit den ausgebreiteten Farbkarten eines Baumarkts auf dem Tisch vier Farben im Geiste angemischt und andiskutiert.
Nummer eins war ein schnödes Weiß – weil das am einfachsten und billigsten war.
»Aber mal ehrlich, so eine völlige Farblosigkeit passt auch nicht zu uns«, hatte Jörg gesagt, »ich sehe uns eher so als, wie soll ich sagen, als nicht quietschig halb bunt.«
Nummer zwei war deshalb ein Taubenblau mit einem Hauch von Mint.
»Aber das ist mir letztendlich glaube ich doch zu kalt«, stellte Elke diese Variante infrage.
Nummer drei war deshalb ein Eierschalenton beziehungsweise ein Cremeweiß.
»Aber ehrlich gesagt ist das ja nun wirklich die Endstufe der Spießigkeit«, intervenierte Jana
Weitere Kostenlose Bücher