Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Frankfurter Industriellendynastie, der in Bürzow das Schloss und den Dorfteich gekauft hatte und Gerüchten zufolge nun ein Auge auf den Maltriner See warf. Ob der das wirklich durchziehen und den ganzen See wie in Bürzow einzäunen würde, das war die große Frage. Die Einschätzungen reichten von »unwahrscheinlich« bis »denkbar«. »Die Leute hier auf dem Land haben eben schon Pferde kotzen sehen«, beruhigte Konrad die Gruppe. Trotzdem konnte es nicht schaden, dass er dank der Maurertruppe neuerdings regelmäßig ein Ohr am Dorffunk hatte.
Für Olli und mich waren die Helfer zunächst nur eine gesichtslose Truppe von Männern in den obligatorischen blauen Arbeitsanzügen. Von Konrad choreografiert tanzte die Blaumanngroup nachmittags ab 16 Uhr, wenn in ihren regulären Jobs Feierabend war, durchs Gartentor an. Selbst an Wochenenden erschienen sie zur Arbeit. Dann schon gegen halb neun und mit dem typischen »Morjen«, der berlin-brandenburgischen Mischung aus »Morgen« und »Moin«. Wir Weidenhofbewohner mussten allenfalls noch mal Hand anlegen, wenn es darum ging, den Blaumännern hin und wieder das Rollgerüst ein paar Meter weiter an der Scheunenwand entlang zu verschieben. Konrad war, reiste er freitagabends an, gespannt wie ein Flitzebogen, welche neuen Kunststücke seine Blaumanngroup auf dem Rollgerüst wieder vollbracht hatte. Noch bevor er das Haus betrat, lief er zunächst in die Scheune hinein und an der Scheune auf und ab. Offenkundig wünschte Konrad sich, dass auch wir etwas mehr Scheuneninteresse an den Tag legten. Unentwegt wollte er mit uns »über die Scheune nachdenken«, fortwährend »eine gemeinsame Scheunenbegehung machen«, um sich zusammen mit uns über das in der Scheune Erreichte zu freuen und die nächsten Schritte zu besprechen.
Er schien schwer enttäuscht zu sein, wenn wir nach dem Eintreffen in Maltrin vor einer Scheunenbegehung zunächst einmal in Ruhe einen Kaffee trinken oder schwimmen wollten. Abends, wenn Konrad ein paar Schnaps intus hatte, konnte er uns die halbe Nacht mit der Feststellung traktieren, dass wir noch nicht genug über die Scheune nachgedacht hätten. Oder mit der Frage, ob der kleine Schweinestall neben der Scheune abgerissen werden sollte oder nicht. Andine verriet ihrer Freundin Simone, dass Konrad schon seit Wochen schlecht schlief, weil ihn die Frage quälte, ob wir die Scheune überhaupt vor dem Verfall retten konnten und nicht sinnlos Geld darin versenkten. Konrad war eindeutig derjenige Weidenhof-Kommunarde, der am besten überblickte, wie ernst es um die Feldsteinscheune bestellt war.
Menschen wie Olli und ich waren da unbedarfter und hatten nun einmal weniger Interesse an Arbeiten, deren Ergebnis sich unserem handwerklichen Verständnis nicht auf Anhieb erschloss. Wir waren auch nur sehr begrenzt in der Lage, Scheuneninteresse zu heucheln. Hatten wir uns schließlich zu einer Scheunenbegehung breitschlagen lassen, sprach Konrad Sätze wie: »Ist das nicht abgefahren, wie Jürgen und Mike den Balken um drei Zentimeter verrückt haben? Jetzt passt die Statik wieder. Schaut mal, die Wand da hatte doch letztes Mal noch so eine ganz leichte Wölbung. Steht jetzt wieder wie ’ne Eins. Super, oder?«
»Ja, nee, auf jeden Fall«, beteuerten wir. Für uns sah alles aus wie immer.
Aber wir ließen uns erklären, dass »unsere Leute« erstaunliche Improvisationsleistungen vollbrachten, dass sie quasi »aus dem Nichts« alle möglichen Baumaterialien und Hilfsmittel schufen, genau, wie sie es zu DDR -Zeiten gelernt hatten, als es an allen Ecken und Enden mangelte.
Im Wohnzimmer hing neuerdings ein Einsatzplan, von Andine erstellt und aufgehängt, über den Olli nachträglich » SOKO Maltrin« geschrieben hatte. Dieser Einsatzplan war das physische Pendant zu einem von Niels angelegten Webkalender, in dem sich jeder Mitbewohner für bestimmte Arbeitsgruppen eintragen und für Unteraufgaben vormerken lassen konnte beziehungsweise sollte: Kostenvoranschläge einholen, Material besorgen, Preise vergleichen et cetera. Im Webkalender gab es zusätzlich zu den Einsatzplänen eine Foto-Pinnwand, wo man sich beispielsweise die Rückseite unserer Waschmaschine ansehen konnte – damit jemand aus der Gruppe »Sanitär«, die sich noch formieren musste, ein Doppelspindeleckventil mit Rückflussverhinderer besorgen konnte. Hier im Netz sollte die Kommunikation zwischen den Weidenhofern endlich in sinnvolle Kanäle geleitet werden. Dennoch ging es nur träge
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