Sommerhaus mit Swimmingpool
müsse auf die Toilette, obwohl ich ja schon gewesen war, aber das wusste er ja nicht.«
Ralph hatte am Strand ein Margaritaglas gegen die Zähne bekommen. Und das norwegische Mädchen hatte ihn auch noch ein paarmal in die Fresse geschlagen. Wahrscheinlich war Blut auf seine Klamotten gekommen.
»Im Badezimmer lief die Waschmaschine«, sagte Judiths Mutter. »Ich habe noch durch das Fenster geguckt, aber ich konnte nicht genau sehen, was drin war, es war zu viel Schaum. Ich weiß noch, dass ich es merkwürdig fand. Ich meine, wenn man nach Hause kommt, dann wirft man doch seine dreckigen Sachen einfach in den Wäschekorb, dann lässt man doch nicht mitten in der Nacht die Waschmaschine laufen.«
[Menü]
41
Es wird ungefähr Mitte Oktober gewesen sein, als Ralph Meier eines Morgens in meinem Sprechzimmer stand. Wie immer ohne Termin. Er fragte nicht, ob er ungelegen komme. Er fragte nicht, ob er sich hinsetzen dürfe. Er ließ sich einfach auf den Stuhl gegenüber meinem Schreibtisch fallen und strich sich durchs Haar.
»Ich … ich muss dich sprechen«, sagte er.
Ich hielt den Atem an. Ich hörte mein Herz bis zum Hals schlagen. War es möglich? Würde er nach zwei Monaten der Unsicherheit doch noch mit einem Geständnis herausrücken? Ich konnte nicht sagen, wie ich darauf reagieren würde. Ob ich ihn am Kragen fassen und über den Schreibtisch zerren würde. Ihm schreiend ins Gesicht spucken. Meine Assistentin würde hereingestürmt kommen. Oder vielleicht gleich die Polizei rufen? Womöglich würde ich auch ganz ruhig bleiben. Eiskalt, wie man so sagt. So tun, als ließe mich sein Geständnis völlig kalt. Anschließend würde ich ihm eine tödliche Spritze verabreichen.
»Wie geht es euch?«, fragte er.
Diese Frage hatte ich nicht gerade von jemandem erwartet, der im Begriff war, die Vergewaltigung eines dreizehnjährigen Mädchens zu gestehen. Aber ich blieb auf der Hut. Vielleicht war das bloß ein Manöver.
»Ganz gut«, sagte ich.
»Gott sei Dank!« Er strich sich wieder durchs Haar. Für einen Moment zweifelte ich, ob er mich überhaupt gehört hatte. Dann sagte er: »Ich bewundere euch enorm dafür, wie ihr damit umgeht. Judith hat es mir erzählt. Judith hat mir erzählt, wie stark ihr seid.«
Ich starrte ihn an und versuchte sofort, damit aufzuhören. Er sollte mir meine Fassungslosigkeit nicht vom Gesicht ablesen können.
»Ich mache mir Sorgen wegen etwas, was absolut vertraulich behandelt werden muss«, sagte er. »Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
Ich löste den Blick von ihm und strengte mich an, so gut das eben ging, eine interessierte Miene aufzusetzen.
»Alles, was hier besprochen wird, darf diesen Raum nicht verlassen«, sagte er mit ausladender Handbewegung. Ich lächelte. Mein Herz hämmerte noch immer wie wild. Lächeln beruhigt die Nerven, wusste ich als Arzt. Ich lächelte.
»Vor allem Judith darf nichts erfahren. Ich meine, sie hat mich zwar gedrängt, zu dir zu gehen, aber wenn es etwas Ernstes ist, möchte ich nicht, dass sie es hört.«
Ich nickte.
»Irgendetwas stimmt nicht mit mir«, sagte er. »Vielleicht ist es auch harmlos, aber Judith gerät immer gleich in Panik. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen macht.«
Lustlos , hatte Judith gesagt. Ralph war in den letzten Urlaubswochen ziemlich lustlos .
»Gut, dass du hergekommen bist«, sagte ich. »In den meisten Fällen ist es nichts, aber man kann besser auf Nummer sicher gehen. Was hast du denn für Symptome?«
»Also, zuerst einmal fühle ich mich die ganze Zeit so schlapp. Seit dem Sommer eigentlich. Habe auf nichts Lust. Auf nichts. Das habe ich noch nie gehabt. Aber okay, ich dachte, vielleicht habe ich mir in letzter Zeit zu viel Arbeit aufgehalst. Aber seit etwa zwei Wochen habe ich das …« Er standauf, öffnete den Gürtel und ließ mir nichts, dir nichts seine Hose runter. »Das …« Er zeigte mit dem Finger auf die Stelle. »Vor drei Tagen war es noch halb so klein. Es ist steinhart, und wenn ich draufdrücke, tut es weh.«
Ich verstehe mein Handwerk. Ein Blick genügte. Ein Irrtum war ausgeschlossen.
Ralph Meier musste diese Woche noch ins Krankenhaus. Am besten noch heute. Vielleicht war es sogar schon zu spät, aber das war seine einzige Chance.
Ich stand auf.
»Lass uns nach nebenan gehen«, sagte ich.
»Was ist es, Marc? Ist es das, was ich glaube?«
»Komm erst einmal mit. Ich muss mir das genauer ansehen.«
Er zog die Hose bis zum Hintern wieder hoch und humpelte hinter mir her.
Weitere Kostenlose Bücher