Sommerhaus mit Swimmingpool
beide. Ihr seid das Schönste, was ich habe.«
Ich sah meine Frau an. Sie biss sich auf die Lippen und wischte sich über die Augen. »Ich gehe mal gucken, ob noch Wein da ist«, sagte sie.
»Hier ist noch Wein, Mama«, rief Lisa. »Hier auf dem Tisch.«
In Deadwood aßen wir im Jakes , dem Restaurant von Kevin Costner. Ein Pianist spielte die ganze Zeit so laut auf dem Flügel, dass man sich kaum unterhalten konnte. Julia hörte ihre eigene Musik, sie nahm zwei Bissen und schob den Teller weg. In Cody gingen wir zum Rodeo. Im Yellowstone-Nationalpark sahen wir noch mehr Bisons und auch Elche und dergleichen. Wir hielten an einer Stelle, wo ziemlich viele Autos entlang der schmalen Straße standen. Leute mit Ferngläsern beobachteten etwas auf einem Hügel auf der anderen Seite eines Bachs. »Ein Bär«, sagte jemand. »Er ist gerade hinter einem Baum verschwunden.« Wir warteten beim Old Faithful, dem Geysir, der alle fünfzig Minuten seine Fontäne ausstößt. »Ooooh!«, rief Lisa, als es so weit war. Julia lächelte und bewegte den Kopf im Takt der Musik.
Wir bogen nach Süden ab und sahen die ersten Indianer. Wir fuhren durch das Monument Valley und hielten auf einem fast leeren Parkplatz, wo die amerikanische Fahne wehte. Bei einem silberfarbenen Wohnwagen konnte man sich Souvenirs der Ureinwohner kaufen. »Komm doch mal mit raus«, sagte Caroline zu Julia. Aber Julia schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. »Soll ich mich zu dir setzen?«, fragte Caroline.
In Kayenta erfuhren wir, dass im ganzen Navajo-Gebiet Alkohol verboten und nirgendwo ein Tropfen zu bekommen war. Weder im Restaurant noch im Supermarkt. »Ist ja wie im Iran«, sagte Caroline und nahm einen Schluck von ihrer Cola. »Mitten in Amerika.«
Beim ersten Aussichtspunkt des Grand Canyon brach Juliain Tränen aus. Ich war mit ihr allein, Caroline und Lisa waren gerade in einem Toilettenhäuschen aus Backstein verschwunden. Wir standen auf einer nicht eingezäunten Felsnase, etwas entfernt von den größeren Touristengruppen. »Schau doch mal«, rief ich und zeigte auf einen Raubvogel, einen Adler wahrscheinlich, der, ohne mit den Flügeln zu schlagen, kaum fünf Meter entfernt lautlos an uns vorbeiflog. »Möchtest du wieder zum Auto zurück?« Ich sah sie an und merkte erst jetzt, dass sie die Stöpsel nicht mehr in den Ohren hatte. Sie gab keinen Laut von sich, nur die Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Ich sehe nicht mehr, wie schön alles ist«, sagte sie.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Ich streckte meine Hand nach ihr aus, ganz vorsichtig. Seitdem ich sie zum letzten Mal untersucht hatte – vor etwa acht Wochen –, hatte sie jeden körperlichen Kontakt mit mir vermieden. Ich dachte, es würde vielleicht von selber vorbeigehen, aber das war es nicht. Wenn ich die Hand ausstreckte, wandte sie sich sofort ab – während dieser Reise hatte ich sie noch kein einziges Mal berührt. »Das brauchst du doch auch nicht«, sagte ich. »Du brauchst es doch jetzt auch nicht schön zu finden.«
Ich nahm ihre Hand. Eine Weile standen wir so da, dann guckte sie nach unten, sah ihre Hand in der Hand ihres Vaters und zog sie weg. Sie drehte sich um und ging zurück zu dem Backsteinhäuschen, aus dem gerade Caroline und Lisa kamen. Als sie ihre Mutter sah, lief sie schneller. Das letzte Stück rannte sie. Dann warf sie sich ihrer Mutter in die Arme.
Wir übernachteten in Williams, einem Städtchen an der berühmten Route 66. Wir aßen auf der Terrasse eines mexikanischen Restaurants zu Abend. Caroline und ich tranken Margaritas. Wir waren gerade bei der Vorspeise, als sich ein Cowboy mit einer Gitarre ein paar Meter von unserem Tisch auf eine Kiste stellte. Ich beobachtete Julia, während der Cowboy seinen ersten Song zum Besten gab. Ihre Enchiladahatte sie nicht angerührt. Sie hatte die Stöpsel aus den Ohren genommen. Der Blick, mit dem sie den Cowboy betrachtete, war der gleiche wie der am Nachmittag am Grand Canyon.
Das Hotel lag an einer Bahnlinie. Ich lauschte den Güterzügen, die jede halbe Stunde vorbeikamen. Sie kündigten sich schon von Weitem mit einem klagenden Ton an, wie der Ruf eines Tiers, das sich in der Nacht verirrt hat. Es waren unendlich lange Züge. Ich versuchte, die Wagen zu zählen, aber ich kam nie über die Hälfte hinaus. Ich dachte an den Grand Canyon und den singenden Cowboy. An Julias Tränen und den Blick in ihren Augen im mexikanischen Restaurant.
»Marc?« Ich fühlte Caroline Hand in
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