Sommerhaus mit Swimmingpool
meinem Nacken. »Was ist?«
»Bist du noch wach? Versuch zu schlafen.«
Ihre Hand hatte mein Gesicht erreicht, ihre Finger tasteten über meine Wangen. »Marc, was ist denn?«
»Nichts. Ich höre den Zügen zu. Da, da kommt wieder einer.«
Caroline schmiegte sich an meinen Rücken, sie legte einen Arm unter meinen Kopf und umklammerte mit dem anderen meine Brust. »Sei nicht so traurig. Ich meine, natürlich darfst du traurig sein. Ich bin auch traurig. Aber ist dir aufgefallen, dass sie nicht mehr die ganze Zeit Musik hört? Sie nimmt die Umwelt wieder ein bisschen wahr. Vorhin im Restaurant. Es gibt Fortschritte, Marc.«
Wer’s glaubt, wird selig , hätte ich am liebsten gesagt. Ich rührte mich nicht und zählte die Wagons. »Ich glaube, jetzt kann ich schlafen«, sagte ich.
In Las Vegas blieben wir tagsüber die meiste Zeit an einem der vielen Swimmingpools des Hotel Tropicana. Caroline und ich schütteten die Margaritas nur so in uns hinein. Während der Happy Hour bestellten wir manchmal vier hintereinander. Wir warfen ein paar Dollar in die Spielautomaten. Abends schlenderten wir über die Glitzerboulevards an den Casinosentlang. Vor dem Bellagio Hotel schauten wir zu, wie die Fontänen ihr Wasserballett aufführten. Der Rausch von den Margaritas hatte sich dann schon gelegt. Ich hörte dem Klopfen meines Schädels zu und traute mich nicht mehr, meine ältere Tochter anzuschauen. Caroline hielt sie an der Hand. Lisa rief bei jedem Wasserstrahl »Oh!« und »Ah!« und machte Fotos. Ich kaufte uns allen ein Eis und eine Cola, aber auch die Cola änderte nichts an meiner trockenen Zunge.
»Vielleicht sollten wir etwas anderes unternehmen«, sagte Caroline später, als wir im Bett lagen. Die Mädchen hatten ein eigenes Zimmer nebenan. Ich starrte auf den Fernseher, in dem ein Pokerturnier lief.
»Ja?«, sagte ich und leerte die Dose Budweiser aus der Minibar in einem Zug.
»Es etwas ruhiger angehen lassen«, sagte Caroline. »Wir haben uns vielleicht überschätzt. Zu viele Eindrücke auf einmal tun ihr nicht gut.«
Etwas brannte mir in den Augen. »Verdammt noch mal«, sagte ich.
»Marc! Fällt dir wirklich nichts anderes ein, als dich den ganzen Tag volllaufen zu lassen? Es geht um unsere Tochter. Um ihren Kummer. Nicht um unseren.«
»Was?«, sagte ich viel lauter als beabsichtigt. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Das musst gerade du sagen. Beim Zählen der Margaritas kommt man bei dir gar nicht mehr mit. Dabei verträgst du gar nichts. Du solltest dich mal sehen. Und hören! Diese gespielte Heiterkeit. Heute Nachmittag hat mir Lisa zugezwinkert, als du wieder einen deiner Kicheranfälle hattest und die ganze Schüssel mit Popcorn umgeschmissen hast. Ich meine, Julia sagt nichts, aber glaubst du, sie findet es angenehm, ihre Mutter den ganzen Tag sturzbetrunken zu sehen?«
»Bei dir ist doch ’ne Schraube locker. Julia ist alt genug, sie weiß, dass ihre Mutter von ein paar Gläschen etwas fröhlichwird. Sonst würde sie doch nicht die ganze Zeit meine Hand festhalten. Bei dir ist das was anderes. Deine ganze Persönlichkeit ändert sich, wenn du getrunken hast. Dann hat sie richtig Angst vor dir.«
Ich fühlte, wie die Luft aus meiner Lunge entwich, als wäre in meinem Inneren plötzlich ein Vakuum entstanden. »Wenn sie Angst vor mir hat, dann ist das deine Schuld!« Ich stand vom Bett auf und warf die Bierdose gegen die Wand. »Weil dir nichts Besseres einfällt, als die liebe Mutter zu spielen. Die liebe, gute Mutter, die so viel Verständnis für ihre vergewaltigte Tochter hat. Du weißt genauso gut wie ich, dass ihr vor letztem Sommer dein ewiges Gefasel, wann sie zu Hause zu sein hat, bis hier stand. Dass sie mich immer mehr gemocht hat als dich. Verdammt, es kotzt mich an. Manchmal glaube ich, du bist insgeheim froh, deine kleine, arme, bedauernswerte, vergewaltigte Tochter bemuttern zu können. Aber sie ist kein kleines Kind mehr, Caroline. Du tust ihr keinen Gefallen damit. Dadurch versinkt sie nur noch tiefer in ihrem Elend!«
Es wurde an die Wand geklopft. Wir sahen uns entsetzt an.
»Ruhe!«, hörten wir Lisa. »Wir können nicht schlafen.«
In der letzten Woche mieteten wir ein Apartment in La Goleta, einem Vorort von Santa Barbara am Pazifik. Wir aßen Krabben auf dem Pier, Lisa fotografierte die riesigen Möwen und Albatrosse, die sich frech auf den Holztischen niederließen und sich die Essensreste schnappten. Wir schlenderten durch die Geschäftsstraßen. Julia
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