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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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eine der Schauspielerinnen aus dem Stück. So kam es, dass Caroline uns den Rücken zukehrte.
    »Ich habe mich jedenfalls keine Sekunde gelangweilt«, sagte ich zu Ralph. »Es war ein ganz besonderes Erlebnis.«
    Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, dass Ralph Meier mir nicht mehr zuhörte. Er sah mich nicht einmal mehr an. Und ohne seinem Blick zu folgen, wusste ich, wohin er schaute.
    Sein Blick veränderte sich. Während er Carolines Rückseite von Kopf bis Fuß musterte, schob sich eine Membran vor seine Augen. Man sieht es manchmal bei Raubvögeln in Naturfilmen, die, hoch in der Luft schwebend oder auf einem Ast sitzend, irgendwo in der Tiefe unter sich eine Maus oder ein anderes appetitliches Häppchen entdeckt haben. So sah Ralph Meier den Körper meiner Frau an: wie etwas Essbares, bei dessen Anblick ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Jetzt kam auch Bewegung in seinen Mund. Die Lippen öffneten sich, die Kiefer mahlten, ich glaubte sogar kurz, das Knirschen seiner Zähne zu hören – und ihm entfuhr ein Seufzer. Ralph Meier sah etwas Appetitliches, sein Mund freute sich schon auf den Leckerbissen, den er, wenn er die Gelegenheit bekam, mit ein paar Bissen hinunterschlingen würde.
    Vielleicht war das Bemerkenswerteste vor allem die Tatsache, dass er alles ohne die geringste Scham tat. Als gäbe es mich gar nicht. Er hätte auch seine Hose aufknöpfen und michanpinkeln können. Es hätte keinen wesentlichen Unterschied gemacht.
    Und dann, von einem Moment zum andern, war es wieder vorbei. Als hätte ihn ein Hypnotiseur mit einem Fingerschnippen aus seinem Trancezustand erweckt.
    »Marc«, sagte er. Er starrte mich an, als sähe er mich zum ersten Mal. Er betrachtete das leere Glas in seiner Hand: »Was meinst du? Sollen wir uns noch einen genehmigen?«
    Später an jenem Abend, im Bett, erzählte ich es Caroline. Sie hatte gerade das Haargummi aus ihren Haaren genommen und schüttelte sie. Sie machte eher ein amüsiertes als ein schockiertes Gesicht. »Ach ja?«, sagte sie. »Wie hat er geguckt? Sag es noch mal …«
    »Als wärst du ein appetitlicher Happen«, sagte ich.
    »Wirklich? Und? Das bin ich doch auch? Zum Anbeißen. Oder findest du nicht?«
    »Caroline, bitte! Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … ich … ich fand es irgendwie obszön .«
    »Och, mein lieber Schatz. Das ist doch nicht obszön , wie Männer Frauen anschauen? Oder Frauen Männer. Ich meine, Ralph Meier ist einfach ein Womanizer, das merkt man doch an allem. Vielleicht nicht angenehm für seine Frau, aber gut, das ist ihre eigene Schuld. Das sieht eine Frau doch sofort, mit was für einem Typ sie es zu tun hat.«
    »Ich stand neben ihm! Es war ihm scheißegal.«
    Caroline schmiegte sich an mich und legte mir die Hand auf die Brust.
    »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Hört sich ganz so an.«
    »Blödsinn! Ich weiß auch, wie Männer Frauen anschauen. Aber das war nicht normal. Das war … das war obszön . Mir fällt wirklich kein anderes Wort dafür ein.«
    »Mein liebes, eifersüchtiges Männchen«, sagte Caroline.

[Menü]
8
    In einer Praxis, wie ich sie habe, geht es darum, es nicht so genau zu nehmen mit der Gesundheit und dem, was ärztlich vertretbar ist. Bei Freiberuflern sind Exzesse nun einmal eher die Regel als die Ausnahme. Meine Patienten füllen zusammen locker zehn Glascontainer pro Woche. Ich könnte ehrlich zu ihnen sein. Ich könnte ihnen sagen, dass sich der normale Konsum auf maximal zwei bis drei Gläser pro Tag beläuft. Frauen zwei, Männer drei Gläser. Aber niemand hört das gern. Ich drücke mit den Fingerspitzen auf die Leber und prüfe ihre Härte. Wie viel trinken Sie eigentlich so pro Tag?, frage ich. Mir können sie nichts vormachen. Ein Bier zum Essen und danach höchstens noch eine halbe Flasche Wein, sagen sie. Alkohol dringt durch die Poren und verdampft direkt auf der Haut. Ich habe eine gute Nase. Ich rieche, was jemand am Abend zuvor getrunken hat. Maler und Bildhauer stinken nach Oude Genever oder Branntwein, Schriftsteller und Schauspieler nach Bier und Wodka, der Atem ihrer Kolleginnen riecht säuerlich nach billigem Chardonnay on the Rocks. Sie halten die Hand vor den Mund, doch Rülpsen kann man nicht unterdrücken. Ich könnte ihnen natürlich ins Gewissen reden. Ich könnte versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wie man so schön sagt. Ein Bier und eine halbe Flasche Wein, dass ich nicht lache! Sie würden mir weglaufen. Wie sie ihrem letzten Hausarzt

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