Sommerhaus mit Swimmingpool
rechtzeitig in alle Winkel des Körpers pumpen. Doch auch die Adern haben ihre Mühe, mit dem ganzen Fett zurechtzukommen. Atmen Sie jetzt ruhig ein, sage ich. Das Fett leistet Widerstand. Es bewegt sich zwar noch mit, wenn die Lungen sich mit Sauerstoff zu füllen versuchen, doch es gibt den eroberten Platz nie mehr preis. Es ist ein Kampf um Hundertstelmillimeter, mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Das Fett rüstet sich zur letzten Offensive. Ich wende mich mit dem Stethoskop der Vorderseite der ehemaligen Staatssekretärin zu. Zwischen ihren Brüsten glänzt eine dünne Schweißspur, wie ein Wasserfall hoch oben an einem Berghang. Ich zwinge mich, nicht hinzusehen. Wie immer gehen mir die falschen Gedanken durch den Kopf. Es lässt sich nicht verhindern. Ich denke an den Mann der ehemaligen Staatssekretärin, einen den größten Teil des Jahres arbeitslosen ›Dramaturgen‹. Wer oben liegt und wer unten. Zuerst liegt er oben. Doch er findet nirgends Halt. Er rutscht von ihrem Körper hinunter wie von einem halb vollen Wasserbett oder einem nicht richtig aufgepumpten Sprungkissen. Oder er versinkt in ihr. Er krallt sich an ihrem Fleisch fest. Eigentlich braucht er Seil und Haken. So kommen wir nicht weiter, keucht seine Frau und schiebt ihn von sich. Jetzt liegt er unten. Ich stelle mir die Brüste vor, die sich langsam auf sein Gesicht senken. Eine totale Sonnenfinsternis tritt ein. Es wird ihm schwarz vor den Augen. Dann wird der Sauerstoff knapp. Der ›Dramaturg‹ schreit noch etwas, doch kein Laut dringt mehr nach außen. Die warmen und auch ein wenig feuchten Brüste bedecken nun sein ganzes Gesicht. Ein violetter Nippel von der Größe eines Desserttellers verschließt ihm Mund undNasenlöcher. Dann bricht unter dem Gewicht von hundertfünfzig Kilo mit einem dumpfen Knall die erste Rippe. Die ehemalige Staatssekretärin ist sich keiner Schuld bewusst. Sie greift nach seinem Schwanz und führt ihn in ihre Scheide ein. Weil auch da alles zu feist ist, dauert es eine Weile, bis sie sich sicher ist, dass sie ihr Ziel erreicht hat. In der Zwischenzeit sind noch weitere Rippen gebrochen. Es ist wie mit einem zehnstöckigen Gebäude, der Bauunternehmer hat die Pläne nur flüchtig studiert, die Arbeiter reißen eine tragende Wand ab. Zuerst gibt es nur einige Risse, dann gerät die ganze Konstruktion ins Wanken, schließlich stürzt das Gebäude ein. Sie labbert mit der Zunge in seinem Ohr. Das ist das Letzte, was er fühlt. Und hört. Die Zunge eines Bernhardiners, die seine ganze Ohrmuschel füllt. Noch einmal ausatmen, sage ich. Wie geht es Ihrem Mann? Hat er wieder ein Projekt? Ich könnte ihr sagen, dass es so nicht mehr lange weitergeht. Unter dem Übergewicht leiden nicht nur die Organe, sondern auch die Gelenke. Alles geht kaputt. Die Kniescheiben, die Sprung- und Hüftgelenke. Es ist wie bei einem zu schwer beladenen Sattelzug. Auf abschüssiger Straße erhitzen sich die Bremsen, die Kombination gerät ins Schleudern, durchbricht die Leitplanke und stürzt in den Abgrund. Doch ich öffne die Schublade meines Schreibtisches und hole ein Kochrezept heraus, das ich aus einer Zeitschrift ausgeschnitten habe, ein Backofen-Gericht: Schweinerücken, Pflaumen und Rotwein. Die ehemalige Staatssekretärin ist eine leidenschaftliche Köchin. Außer Kochen interessiert sie nichts, es ist ihr einziges Hobby. Früher oder später wird sie sich zu Tode kochen. Sie fällt vornüber und haucht, das Gesicht in der Pfanne, ihren Geist aus.
Auch Ralph Meier war zu dick, wenn auch anders, natürlicher, könnte man sagen. Anfangs täuschte man sich über seinen wahren Leibesumfang. Er trug ihn wie einen zu weiten Mantel. Doch auch bei ihm war nicht alles in Ordnung, wie ich feststellte, als ich bei seinem ersten Besuch mit dem Stethoskop seinen Rücken abhorchte. Seine Atmung klang schwer, als müsste der Sauerstoff mit einem Eimer aus einem sehr tiefen Brunnen heraufgeholt werden. In seinem Herzschlag war ein Widerhall zu hören wie bei einem Glockenschlag. Und unten in den Därmen brodelte und blubberte es. Ralph Meier hatte, wie ich später selbst feststellen sollte, eine Vorliebe für Schalenweichtiere und Geflügel – Wachteln, Rebhühner –, er nagte jeden Knochen genüsslich ab, er saugte die Halswirbel leer, zermahlte die Rückenwirbel zwischen den Zähnen, um auch den letzten Saft zu erwischen. »Ich muss jeden Abend auf die Bühne«, sagte er, »und nachmittags sind die Proben für ein neues Stück. Ich weiß
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