Sommerhaus mit Swimmingpool
Schalter blätterte in einem Terminkalender.
»Heute ist Freitag«, sagte sie. »Wir tun, was wir können. Am Wochenende sind wir allerdings geschlossen. Dann wird es Montag.«
Sie war ausgesprochen hässlich, hatte mindestens dreißig Kilo Übergewicht, und ihr aufgedunsenes Gesicht war mit Pickeln und anderen Unebenheiten übersät. Das heißt, es waren nicht so sehr Unebenheiten als unwirtliche Stücke Niemandsland, auf denen sich nichts rührte, sie bewegten sich nicht mit, wenn sie redete, wenn ihr Gesicht einen bestimmten Ausdruck annahm. Vielleicht hatte sie einen Unfall gehabt. Vielleicht war sie als Kind mit dem Gesicht gegen die Windschutzscheibe geprallt.
Ich lehnte mich über die Theke und sah demonstrativ rasch zu meiner Frau hinüber, die an der Tür die Fotos der zur Miete und zum Verkauf angebotenen Ferienhäuser studierte. »Hast du an diesem Wochenende etwas vor? Heute Abend? Morgen?«
Sie blinzelte mit den Augen. Schöne Augen durchaus. Liebe Augen. Sie errötete. Das heißt, die noch lebenden Teile ihres Gesichts wurden rot, die abgestorbenen stellten für das Blut ein zu großes Hindernis dar.
»Ich habe einen Freund«, sagte sie leise.
Ich zwinkerte ihr zu. »Dein Freund darf sich glücklich schätzen. Ich hoffe, er tut das.«
Sie senkte den Blick. »Er … er hat viel zu tun. Aber ich werde ihn fragen, ob er noch heute Nachmittag bei Ihnen nach dem Rechten schauen kann.«
Ich starrte sie an. Der Klempner! Der kleine Klempner, der gestern mit dem pudelnackten Ralph aufs Dach geklettert war. Ein umtriebiger Kerl. Offensichtlich kümmerte er sich nicht nur um verstopfte Wasserrohre. Ich strengte mich an, die beiden Bilder übereinanderzulegen, doch ich konnte mir den Klempner und das Mädchen nur nebeneinander auf der Couch vorm Fernseher vorstellen: Sie hielten sich an den Händen, mit der freien Hand setzte er eine Anderthalbliterflasche an den Mund, während sie bis zum Ellenbogen in einer Familienpackung Chips wühlte.
»Marc, schau mal!«
Ich zwinkerte dem Mädchen noch einmal zu und gesellte mich zu meiner Frau. »Da! Ist das nicht das Sommerhaus?«
Tatsächlich. Auf einen Karton waren drei Fotos geklebt: vom Haus, dem Garten und dem Swimmingpool.
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Sommerhaus mit Swimmingpool
Darunter standen Informationen über die Quadratmeter des Hauses und des Gartens, die Anzahl der Zimmer, der Preis, eine 06-Nummer und eine E-Mail-Adresse.
»Das ist viel weniger, als ich dachte«, sagte Caroline.
»Na ja, man ist schließlich mitten in einem Wohnviertel und vier Kilometer vom Strand entfernt. Wenn ich hier etwas kaufen würde, dann müsste es direkt am Meer sein.«
Caroline ging mit dem Zeigefinger über die Anzeigen. »Hier. Das ist am Meer.«
Auch dieses Haus wurde als »Sommerhaus mit Swimmingpool« angepriesen. Es lag allerdings hoch am Hang eines Hügels in einer der Buchten; vom Swimmingpool aus hatte man Aussicht auf das Meer in der Tiefe. Es war fünfmal so teuer wie das Haus, in dem wir waren.
»Sag ich doch.«
Caroline nahm meine Hand, sie machte ein ernstes Gesicht.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Kaufen. Dann sehen wir weiter.«
»Nein, ich meine, wann fahren wir weiter? Ich will da wirklich weg, Marc!«
Ich dachte nach. Oder besser gesagt, ich tat so, als würde ich nachdenken. Ich war auf die Frage vorbereitet.
»Es ist Freitag. Morgen und Sonntag ist auf den Straßen viel los. Und wahrscheinlich findet man auch nicht so leicht etwas. Einen Campingplatz oder so. Also ich schlage vor, wir fahren Montag.«
»Aber dann auch wirklich, hörst du?«
»Montag sind wir weg«, sagte ich.
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22
Samstagmorgen fand Lisa das Vögelchen. Es lag neben dem Zelt und war wahrscheinlich aus dem Olivenbaum gefallen, der dort stand.
»Papa!« Lisa zog an meinem Schlafsack. »Papa, komm, draußen liegt ein Vögelchen!«
Das Vögelchen lag zitternd da und versuchte erfolglos, auf die Beine zu kommen.
»Es ist aus dem Nest gefallen«, sagte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ich blickte nach oben, konnte aber nirgends ein Nest entdecken.
»Ach, wie traurig«, sagte Lisa. »Aber du bist doch Arzt, Papa. Du wirst es schon wieder gesund machen.«
Als ich das Vögelchen vorsichtig hochhob, pickte es mich in die Hand, doch es hatte kaum Kraft. Gebrochen hatte es sich anscheinend nichts, auch sonst konnte ich keine Verletzungen entdecken. Eigentlich war das schade, denn ein Vogel mit gebrochenem Bein wäre ein ›Projekt‹ gewesen. Es wäre nicht das erste
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