Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
Vom Netzwerk:
Ankündigung der rothaarigen Sabine und der Mitteilung, alle, wirklich alle würden wunderbarerweise kommen, hatte ich erwartet, sie zu sehen, weil
alle
natürlich auch Chrissie einschloss, ein nicht weniger seltsamer Gedanke als derjenige, dieses Treffen überhaupt zu veranstalten, aber ich war trotzdem überrascht und gleichzeitig erfreut. Sie zwinkerte und legte den Kopf schief.
    »Ich wusste es. Du bist es. Falk, oder?«
    Sie kam vor den Tresen und sah mich scheu, fast verschämt an, zugleich interessiert und wissend. Dann nahm sie mich an der Hand und zog mich zu einer Sitzgruppe, Ledersessel um einen schweren, dunklen Holztisch herum, neben der Sitzgruppe flackerte ein Kaminfeuer.
    »Hallo, Chrissie«, brachte ich heraus, als wir uns gesetzt hatten.
    »Falk. Martin.«
    »Ja.«
    »Es klingt komisch, das endlich zu sagen. Ich habe all deine Platten. Ich war gut und gern zwanzig Mal auf deinen Konzerten. Schon bei ›Klasse‹ ahnte ich, dass du das bist. Es kam mir ein bisschen vor, als würdest du … als wäre das.« Ihre Stimme brach, sie sah zum Feuer.
    »Ja?«
    »Als wäre das für mich. Als würdest du das für mich tun.«
    Ich nickte in Gedanken. Vielleicht stimmte das, wie ich erst jetzt feststellte. Nicht persönlich, nicht direkt für sie, mehr für das Mädchen, das damals …
    »Unfassbar, was aus dir geworden ist. Es ist schön, dich wiederzusehen.«
    »Geht mir auch so. Schön, dich zu sehen.«
    Sie atmete tief ein. »Du hast dich wirklich sehr verändert, nur die Augen nicht. Ich war jahrelang unsicher, ob das wirklichdu bist, und eigentlich bin ich es bis heute. Etwas in mir sagte immer, ja, ja, das ist Falk, aber ein anderer Teil konnte es nicht glauben. Das ist jetzt so ein Moment …« Sie stoppte, in ihren Augen glitzerte es.
    Mir kamen viele Fragen in den Sinn, aber ich stellte zuerst die naheliegendste. »Weiß es sonst jemand?«
    Sie fixierte mich mit ihren grünen Augen, mit einem Blick, der Jahrzehnte zusammenfasste. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Ich glaube nicht. Du wirst dir vorstellen können, dass ich nur wenig Kontakt zu unseren ehemaligen … Mitschülern hatte. Aber nach dem zu urteilen, was ich gehört habe, ahnt keiner von denen, dass aus Falk … Lutter – richtig?«
    Ich nickte.
    »Dass du zu Martin Gold geworden bist. Sie würden ausflippen, wenn sie es wüssten.«
    »Was ist mit dir passiert, damals? Nachdem du … weggegangen bist.«
    Sie sah wieder ins Feuer, dann zum Empfangstresen.
    »Keine gute Zeit. Vier Jahre Therapie, sinnlose Psychoanalyse, dabei wusste ich längst, was mir weh tat. Es ging nur darum, Distanz aufzubauen. Das habe ich nach der Therapie selbst geschafft. Es gab keinen Weg, das ungeschehen zu machen, was geschehen ist. Ich musste damit leben, muss es immer noch, es beschäftigt mich nach wie vor. Ich träume hin und wieder von diesem Abend. Von diesem Anblick im Wald.«
    »Du warst sehr jung«, warf ich ein, fand es aber sofort idiotisch, kaum dass ich es ausgesprochen hatte.
    »Das entschuldigt nichts«, sagte sie laut.
    Ich nickte. »Natürlich nicht. Aber es relativiert.«
    »Was wir getan haben …«
    »Ja.« Mehr fiel mir dazu nicht ein. Was wir getan hatten, was
sie
getan hatten, boshaft, kalt lächelnd, selbstgerecht – jeder Versuch, das in adäquate Worte zu fassen, war zum Scheiternverurteilt. Und Chrissie wusste noch nicht, dass auch meine Veränderung mit all dem zusammenhing.
    »Falk … Martin … wie eigentlich?«
    »Martin ist mir lieber.«
    Sie schluckte und sah wieder kurz zum Feuer. »Ich könnte sagen, dass es mir leid tut, wie ich dich damals behandelt habe. Herablassend. Ich habe mitgelacht, wenn sie Witze über dich gemacht haben. Sogar nach dieser Fete noch, als wir uns geküsst haben.«
    »Das weißt du noch?« Ich war überrascht.
    Chrissie nickte, und kurz erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Es tut mir leid, wirklich, aber …«
    Sie wurde unterbrochen, weil die Empfangsdame nach ihr rief.
    »Ich muss arbeiten. Wir sehen uns. Wir sprechen uns.«
    Chrissie stand auf, ich erhob mich. Ich war anderthalb Köpfe größer als sie, aber dieser Moment erinnerte mich an den Anblick meiner Eltern nebeneinander, mit umgekehrten Vorzeichen.
    Sie war schon auf dem Weg, ich legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    »Bitte verrate es den anderen nicht.«
    Chrissie lächelte. »Ganz bestimmt nicht. Das musst du schon selbst tun.«
    »Warum eigentlich hier?«, fragte ich noch.
    Sie lächelte schmal. »War meine Idee. Als mich diese

Weitere Kostenlose Bücher