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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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fähig war.
    »Wir spielen die alten Sachen in neuen Arrangements, singen sie als Duett, rockiger, härter. Das geht bei Stücken wie ›Lügen sind nie für immer‹ sowieso, vielleicht müsste man an einigen deiner Songs etwas ändern. Und wir brauchen neues Material. Ich gebe mich freiwillig zurückhaltend. Du hast die erste Gesangsstimme, ich steige bei den Refrains ein. Knackige Songs über Liebe, Sehnsucht, Ehrlichkeit, Treue, solche Sachen – das kannst du einfach. Minka und Martin. Minka und Gold. Oder umgekehrt.« Sie lächelte, erstmals wieder auf diese ironische Art, die ich von ihr kannte. »Was ich sagen will: Wirnehmen das Gute von dir und ergänzen es um meine Präsenz. Ein Zwiegespräch. Das Paar, das keines ist. Verstehst du?«
    Ich nickte bedächtig. Unter dem Arbeitstitel »MMG« – Minka-Martin-Gold – war ich längst tätig geworden. Seit mir György den Vorschlag unterbreitet hatte, war es mir kaum mehr gelungen, mich auf etwas anderes zu konzentrieren.
    »Einverstanden. Wir können morgen mit den Proben beginnen. Ich will dasselbe.«
    Sie lächelte, aber verblüfft. »Ach.«
    »Aber ein paar Songs sind auf dich gemünzt. Wir wechseln. Ich habe da eine Nummer … die wird dir echt gefallen.«
    Sie gefiel ihr. »Mauer im Herz«, ein Stück, das sehr emotional daherkam, enorm eingängig, mit schönen musikalischen Effekten, beinahe anspruchsvoll, aber nicht verwirrend. Tanzbar. Es gefiel ihr schon, als ich es ihr zur Gitarre vortrug.
    »Damit landen wir in den Top Ten.«
    Ich seufzte. »Es kann ein Achtungserfolg werden.«
    »Jede Wette.«
    »Jede?«
    »Wenn es nicht drei Wochen nach der Veröffentlichung oben in den Charts ist, nehme ich das Playboy-Angebot an. Sie versuchen es seit drei Jahren.«
    »Ach. Und wenn es klappt, muss ich mich ausziehen?«
    Sie grinste, ein wenig bösartig. »Nein, dann musst du die Höllentour mit mir machen. Tirol, Mallorca, Ibiza.«
    »Großer Gott.«
    Minka hielt mir die ausgestreckte Hand entgegen. Ich schlug ein.
     
    Das Aroma der Bar hatte sich verändert, war so intensiv geworden, dass es mir schwer fiel, Gerüche auseinanderzuhalten. Dichte Rauchschwaden hingen über dem Publikum, das sich in Skianzügen drängte, einander mit den schweren Spezialschuhenauf die Füße stieg. Es war unfassbar laut, aber der Sound stimmte. Ein kompaktes Menschenknäuel bevölkerte die Tanzfläche, schaffte es aber dennoch, zum Refrain des Stückes – irgendwas mit »Flieger« – obskure Bewegungen zu vollführen, ähnlich dem Clubtanz zu »Cool sein«. Wir standen längst auf der Bühne, als wir von den ersten Gästen bemerkt wurden. Applaus brandete auf, wurde stärker, Einzelne johlten. DJ Stoffel ließ das Stück verklingen, spielte eine Art Fanfare, vermutlich die Kennung des »Saustalls«, sagte uns an, mit seiner zerstörten, aber prägnanten Stimme, sehr professionell, aber auch irgendwie abgefuckt. Minka nickte, ich nickte. Sie trug ein schlichtes, kurzes, schwarzes Kleid und Fellstiefel, hatte ihre inzwischen längeren Haare zu einem Zopf gebunden. Sie hatte etwas kokett Mädchenhaftes, und sie strahlte. Ich war in Jeans, ein weißes T-Shirt und ein graues Jackett gewandet, wie man in Österreich sagte. Es gab keine Monitore, also keine Boxen auf der Bühne, über die wir uns zur Kontrolle hören konnten. Stoffel startete das erste Playback. »Lügen sind nie für immer«, hartes Schlagzeug, elektrische Rhythmusgitarre, ein großartiges Arrangement, das das Lied völlig veränderte. Nach meinem ersten Gitarreneinsatz hob ich kurz mehrfach den Daumen, ohne zur Technik zu schauen, der DJ reagierte, regelte hoch, ab diesem Moment stimmte alles. Die Gäste tanzten und feierten und sangen, und ich fand es großartig. »Gehirn abgeben«. Man kann den Menschen nicht vorschreiben, wie sie Musik wahrnehmen sollen. Es ist nur Musik. Manchmal. Hier war es wirklich nur Musik. Aber
wir
taten das, auf Augenhöhe, so dicht am Publikum wie niemals in einer Halle. Gleich nach dem Eröffnungsstück wurden die ersten Tabletts mit Schnäpsen auf die Bühne gestellt, grinsende Skifahrer, die vielleicht überhaupt noch nicht auf der Piste gewesen waren und das auch morgen nicht sein würden, verneigten sich, schnappten sich dann die potentiellen Begattungspartnerund tanzten weiter. Wir gossen uns ein paar Willys, Feigen und Obstler ins Gesicht, drei oder vier Mal, was zwar die Kehlköpfe austrocknete, aber das umsichtige Personal reichte fast im Minutenrhythmus sprudelfreies

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