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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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stand.
    Ich legte meinen Kopf in den Nacken und schnaufte, fast ein bisschen theatralisch.
    »Klar, Sie wollen eigentlich Ihre Ruhe haben. Ich verstehe das. Niemand versteht das besser als ich, ehrlich. Ich ackere rund um die Uhr, aber wenn ich mich mit Freunden treffe, fragen die mich andauernd nach Versicherungssachen. Ich meine, okay, man fühlt sich ja auch geehrt, schließlich ist man Fachmann. Aber man will auch mal seine Ruhe haben. Also, wenn Sie nein sagen, ich verstehe das.«
    »Ja«, sagte ich.
    Er zwinkerte wieder, der graue Garten über seinen Augenhöhlen bewegte sich wie Dünengras im Frühlingssturm.
    »Ja was?«
    »Ja
ja
. Ich mache das. Ein Auftritt. Sorgen Sie für die Technik, und ich bin dabei. Das mache ich gerne, wenn schon nach so langer Zeit die alten Kameraden zusammenkommen. Wann geht es los?«
    Er sprang auf, drehte den Oberkörper hektisch hin und her, überlegte offenkundig, ob er das gleich lautstark verkünden sollte, dann setzte er sich wieder und hielt mir abermals die Hand entgegen.
    »Toll! Ab sieben. Sie können gern auch schon früher kommen. Essen und Getränke gehen auf uns. Ist ja geil. Hammer.«
    »Hammer«, wiederholte ich und martingoldlächelte dabei, während ich seine unfeucht-feuchte Hand diesmal ignorierte.
    »Ab-so-lut!«, keuchte er.
    »Wird sicher interessant«, erklärte ich. »Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen.«
    »Aber klaro! Klarer Fall. Wir sehen uns später.«
    »Sehen wir.«
    Er nickte, stand auf und nickte weiter. Gerry machte ein paar Schritte zur Seite, stellte sich so auf, dass er mir gegenüberstand, die Beine leicht gespreizt. Ich kniff die Augen zusammen und atmete tief ein, sonst hätte ich die Gelegenheit genutzt und ihm mit aller Macht in die tiefhängenden Eiergetreten. Nein, sagte ich mir. Das mache ich später und subtiler.
Aber hallo.
     
    Normalerweise reservierten Györgys Leute meine Hotelzimmer telefonisch und unter wechselnden Decknamen, weil es doch immer wieder Groupies oder Presseleute gab, die sich vor den Hoteleingängen oder an den Bars postierten. Im aktuellen Fall aber hatte ich es selbst geregelt und meinen Künstlernamen benutzt, und vermutlich hatte Chrissie dafür gesorgt, dass aus der Doppelzimmerreservierung eine Suite geworden war. Schon im Gang des ersten Stocks sah ich, dass sich links und rechts von der Tür, die in mein Refugium führte, mehr türfreie Wand befand als zwischen den anderen Zimmereingängen. Die Suite war äußerst geräumig, verfügte über ein riesiges Bad, einen kuschligen Wohnbereich und ein großes Schlafzimmer mit einem fast schon obszön überdimensionalen Himmelbett, das mir subtile Einladungen zuzuflüstern schien, als ich es in Augenschein nahm. Das Zimmer roch nach dem kalten, mit frischem Holz bestückten Kamin, den Ausdünstungen der vorigen Gäste, Dispersionsfarbe, die vor etwa zwei, drei Monaten aufgebracht worden war, Putzmitteln und frischer Wäsche. Erfreulicherweise lag über all dem der Geruch des nahen Sees und des seinem Ende entgegenstrebenden Frühlings. Zudem zog Kaffeearoma in Schwaden herein und rundete den Eindruck auf gefällige Weise ab. Ich gab dem Impuls nach, rief die Rezeption an und bestellte ein Kännchen.
     
    Auf dem Bett liegend repetierte ich kaffeeschlürfend die Begegnung mit Gerry. Ich lächelte gedanklich, meine Sorgen bezüglich der Veranstaltung verringerten sich. Es war längst nicht ausgestanden, und ich wusste von György, dass sich nicht alle …
Schulkameraden
zu solch kläglichen Existenzenentwickelt hatten, aber immerhin war es Gerrys Initiative zu verdanken, dass ich würde dabei sein können, ohne meine Anwesenheit erklären zu müssen.
Strike!,
hätte er wahrscheinlich an meiner Stelle gerufen. Ich schaltete den Fernseher ein, landete beim zweiten Durchgang durch die hundertsiebzig Kanäle auf einem obskuren Programm namens »Deluxe Music« und sah Minka und mir dabei zu, wie wir zum Playback »Mauer im Herz« die Lippen bewegten. Platz drei, mein zweitgrößter Verkaufserfolg. Ich dachte kurz an meine Partnerin und beglückwünschte mich dafür, an jenem Abend in Ischgl das letzte bisschen Selbstbeherrschung zusammengekratzt und ihrer Anmache widerstanden zu haben. Minka hatte protestiert und nichts unversucht gelassen, begleitet von den Worten: »Niemand wird das hier je erfahren.
Niemand
.« Aber ich hatte nur den Kopf geschüttelt, meinen aufrechten Begattungsstecker mit den Händen bedeckt und ihr zugezwinkert. »Niemand, das wären

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