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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Ende der Rohrkonstruktionen kleine Flugzeuge hingen. Das Zweite war ein grauweißes Kettenkarussell. Beide ähnelten in gewisser Weise dem Anhänger, den wir hinter uns herzogen. Als wir neben ihnen hielten, um uns in die Warteschlange einzureihen, die aus zwei Wohnmobilen, einem Gespann wie dem unseren undzwei Westautos ohne Anhänger bestand, konnte ich die vielen Stellen sehen, an denen die Jahrmarktattraktionen auf manchmal originelle Weise geflickt waren. Trotzdem fand ich das toll – Karussells! Ich stellte mir vor, wie der kleine, asphaltierte Platz am Abend im Schein der Glühlampen aussehen würde, während kreischende Kinder in den kleinen Flugzeugen, die nicht mehr komplett mit kurzen Flügeln ausgestattet waren, ihre Runden drehten, die Hälse verbogen, um ihre Eltern in der Menge auszumachen, und nach ihnen winkten. Ich verdrehte den Hals, um das Kettenkarussell zu begutachten, bei dem an filigran wirkenden Ketten einfache Sitze aus dünnen Rohren hingen, von denen Lederschlaufen herabbaumelten, und spürte einen seltsamen Schauer.
    Mama und Papa hatten die Fenster ganz heruntergekurbelt, die Frontscheibe des 601 war mit zermatschten Insekten übersät. Während wir warteten und die Temperatur im Auto weiter anstieg, beobachtete ich die Menschen, die in beide Richtungen an uns vorbeischlenderten, viele mit Luftmatratzen, aufblasbaren Tieren, die ich noch nie gesehen hatte, Körben, Tüten und Badetüchern beladen. Schon auf den ersten Blick konnte ich Westler von Ostlern unterscheiden, an den Haaren, der Badekleidung, den Gummi- und Turnschuhen, die sie trugen, vor allem aber an den Gerüchen.
    »Falki, du kannst auch aussteigen, wenn du möchtest«, sagte Mama, öffnete die Tür, stieg selbst aus und ließ mich dann aus dem Auto. Ich war verspannt und seltsam träge, roch wahrscheinlich auch ziemlich unangenehm. Die Luft im Auto war vom Schweiß dreier Personen gesättigt, die fast anderthalb Tage darin verbracht hatten, ohne zwischendurch zu duschen. Draußen duftete es nach Sommer, Cremes mit Aromen, die mich verblüfften, und dann war da außerdem dieser süß-herbe Geruch, viel intensiver als bisher. Ich war mir sicher, dass es der See war, den ich da wahrnahm.
    Ich trug ein kurzärmliges, hellbraunes Hemd, kurze, braune Hosen, weiße Socken und Sandalen. Die Jugendlichen, die an mir vorbeikamen, musterten mich kurz, die meisten lächelten, waren in Gespräche mit anderen vertieft, zwei Jungs trugen Kopfhörer und nestelten an Geräten herum, die metallisch-hellblau im Sonnenlicht schimmerten. Ich erstarrte ehrfürchtig.
Walkmen
. Batteriebetriebene Abspielgeräte für Tonbandkassetten, mit denen man jederzeit und überall Musik hören konnte, über kleine Kopfhörer und in toller Qualität. Ich hatte davon gehört, aber gesehen hatte ich noch keinen. Für einen Moment war ich versucht, die beiden, die vielleicht ein, zwei Jahre älter waren als ich, darauf anzusprechen, aber dann sah ich kurz an mir herunter, stellte mir außerdem vor, wie ich für andere roch, und vertagte es. Der 601 ruckte an, jetzt befand sich nur noch ein großes, grasgrünes Auto vor uns, an dessen Heck zwei Auspuffrohre zu sehen waren und das ein tiefes, bollerndes Geräusch machte, wenn der Fahrer Gas gab.
    Der Platz, den uns der alte Mann auf dem albernen, viel zu kleinen Klapprad zuwies, lag dicht bei den Toilettenhäusern, einer geduckten, ehemals wahrscheinlich weißen Ansammlung gemauerter Verschläge, aus denen es bis ins Auto nach Urin und anderen Ausscheidungen stank. Obwohl der gesamte Platz flach und ebenmäßig war, wies die Stelle, an der wir den Anhänger parken sollten, eine deutliche Neigung auf. Papa stieg aus und zog die Stirn in Falten, während der Mann auf dem Fahrrad, der struppige Haare, einen fleckigen, grauweißen Bart und ein sehr löchriges Gebiss hatte, mit der linken Hand das Rad ausbalancierte und mit der rechten Notizen auf einem Klemmbrett machte, das er mit dem Ellenbogen gegen den Lenker drückte.
    »Der Platz ist nicht gut«, sagte mein Vater zu dem Mann. Der grinste ihn aber nur an.
    »Nicht gut. Platz«, wiederholte Papa laut und wies auf die Stelle.
    Der Mann nickte und grinste weiter. Dann zeigte er mit dem Klemmbrett auf das Heck unseres 601, auf das Nationalitätskennzeichen, die drei Buchstaben im weißen Oval. Ich drehte mich um und sah zur Mitte des Platzes, zur ausladenden Wiese, die mit Zelten, Wohnwagen und Wohnmobilen vollgestellt war. Sie standen keineswegs dicht an dicht,

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