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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Stellplatz.
Schauma-Apfelshampoo
. Ich spürte, wie ich eine Gänsehaut bekam und mir Tränen in die Augen traten. Sonja hatte es doch irgendwie geschafft, alles hatte sich als Irrtum herausgestellt, die Grenzpolizisten hatten sie in die Bahn oder sogar ein Flugzeug gesetzt, und nun war sie hier.
    Aber es war nicht Sonja.
    »Das ist unsere Karen«, sagte Manfred und nickte dabei stolz. Neben ihm stand ein Mädchen etwa in meinem Alter, das ein rotes Bikinioberteil und ein dunkelblaues Tuch um die Hüften trug, dazu weiße Badelatschen. Sie hatte krause,braune Haare und dunkelbraune, sehr große Augen, die mich musterten. Um ihren Hals hing ein schwarzer Plastikkopfhörer, und in der linken Hand hielt sie das hellblau schimmernde Wundergerät, das ich schon am Campingplatzeingang gesehen hatte – einen Walkman. Ich versuchte, nicht zu intensiv auf das Ding in ihrer Hand zu starren. Karen war in gewisser Hinsicht ähnlich kompakt wie ihr Vater, hatte ziemlich breite Schultern, aber sehr schmale Hüften. Sie lächelte mich an, als hätten wir beide ein Geheimnis, von dem die vier Erwachsenen um uns herum nichts wussten. Das verunsicherte mich, weshalb ich meine Mutter ansah, kurz in Richtung Waschhaus nickte und dann zu den Klos trabte. Der Geruch dort weckte in mir den obskuren Wunsch, meine Nase innen zu waschen.
    Als ich zurückkam, saßen die vier Eltern auf unseren Klappstühlen, wobei Manfred immer wieder sein Gesäß anhob und an den rot-weiß-gestreiften Bezügen herumzerrte, als könne er die Sitzsicherheit dadurch erhöhen. Auf dem Klapptisch standen eine riesengroße, metallisch schimmernde Thermoskanne und Plastetassen, die trotzdem edel und teuer aussahen. Offenbar hatten die Ingolstädter eine Runde Kaffee ausgegeben, der ganz anders und sehr viel intensiver duftete als der, den es bei uns gab, und natürlich noch stärker als »im nu«, der irgendwie ölige Malzkaffee, den ich trinken durfte. Mama und Papa verhielten sich im Gespräch, das nach wie vor von Manfred bestimmt wurde, eher passiv, beide wirkten sehr müde und waren von einer seltsamen Traurigkeit umgeben, die mich schmerzte. Trotzdem bemühten sie sich, aufmerksam zu sein, quittierten Manfreds Äußerungen mit einem Lächeln, und manchmal sagte mein Vater auch etwas, meistens kurze Sätze wie »Halb so schlimm«. Karen saß im Gras neben der Sitzgruppe, trug den Kopfhörer und betrachtete den Walkman in ihrer linken Hand, hinter dessen Plastesichtfenster weißeZahnrädchen rotierten. Ihr Kopf bewegte sich langsam in einem Takt, den ich nicht hören konnte. Karens Beine waren im Gegensatz zur Haut ihrer Eltern schon leicht gebräunt, und die Sommersprossen, die ihre Stupsnase umgaben, wären wahrscheinlich in zwei, drei Tagen nicht mehr zu sehen. Sie duftete erstaunlicherweise nur nach Apfelshampoo und nichts anderem. Ich setzte mich einen Meter neben ihr ins Gras, was sie nicht bemerkte, und versuchte, nicht zu auffällig zu schnuppern. Da war wirklich kaum ein anderer Geruch, nur noch eine sehr leichte Note vom Waschmittel, mit der ihre Kleidung gereinigt worden war. Das gab es nicht oft, Menschen, die so gut wie keinen Eigengeruch verströmten, aber Karen gehörte offenbar dazu.
    Erstaunt bemerkte ich, dass ich sie attraktiv fand. Meine Erfahrungen mit Mädchen beschränkten sich auf eine Knutscherei im Jugendklub, mit Dana, einer dreizehnjährigen Polin, die mit ihrer Jugenddelegation zu Gast in Dresden gewesen war. Ich hätte bei dieser Veranstaltung eigentlich nicht anwesend sein dürfen, weil ich noch kein FDJ-Mitglied war, aber Herr Kosczyk hatte es trotzdem möglich gemacht. Die meiste Zeit über saß ich am Rand, lauschte der Musik, die der Schallplattenalleinunterhalter in der Hauptsache von Bandkassetten abspielte, nippte an meiner Club-Cola und sah den anderen zu. Dann wurde ich plötzlich aufgefordert, in gebrochenem Deutsch, von einem schmächtigen, rotblonden Mädchen, das mich an der Hand auf die Tanzfläche zog. Als wir uns mit kurzen, vorsichtigen Schritten im Kreis zu drehen begannen, während eine englische Musikgruppe etwas sang, von dem ich kein einziges Wort verstand, legte sie ihren Kopf auf meine Schulter. Ich war der Einzige an diesem Abend, der kein blaues Hemd trug, wodurch ich mich wie ein Exot fühlte, aber als die Hände von Dana plötzlich sanft über meinen Rücken zu wandern begannen, verschwanden diese Gedanken und alleanderen auch. Nach zwei Liedern zog mich die schmale Hand vor die Tür, und hinter dem

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