Sommerhit: Roman (German Edition)
freien Platz rechts von mir belegte eine Nachzüglerin, die sich als Sofia vorstellte, eine schlanke, großgewachsene Frau Ende zwanzig mit sehr breitem Gesicht, das fortwährend zu lächeln schien. Sie sei die beste Freundin des Bräutigams, erklärte sie mir flüsternd. Leider roch sie widerwärtig. Neben all den Gerüchen von Parfüm, Kosmetika, Haarspray, Waschmitteln und Duschgels hafteten ihr zwei weitere an: einmal der nach Sex – ich schätzte, vor weniger als drei Stunden – und noch ein anderer, für mich äußerst intensiver, den ich allerdings (noch) nicht zuzuordnen wusste.
Meine Grübeleien wurden unterbrochen, weil die Gäste plötzlich verstummten und der Hochzeitsmarsch ertönte – ein Pianist saß auf der Bühne, und hinter dem Podium, vor das man inzwischen eine niedrige Bank gestellt hatte, stand eine breite Frau im dunkelgrauen Kostüm. Die Standesbeamtin.
Ich erhob mich und drehte mich um, wie es alle taten, weil die Tür geöffnet wurde und Karen hereinkam, untergehakt bei ihrem Vater und in
goldenem
Kleid. Ich schluckte. Sogarvon hier aus konnte ich ihre unfassbar großen Augen glitzern sehen. Sie schien ein Nicken anzudeuten, und ich nickte unwillkürlich zurück. Sofort verwandelte sich das Lächeln in ihrem Gesicht zu einem ironischen Grinsen – aber vielleicht war es auch nur eine Täuschung. Dann richtete sie ihren Blick zur Bühne, auf der ihr Zukünftiger sie bereits erwartete.
Ich staunte nicht schlecht, als ich ihn sah. Der breitschultrige, vielleicht eins fünfundsiebzig große Mann war sicher schon weit über vierzig. Seine gekräuselten Haare bildeten eine Insel auf der Schädeldecke, von meiner Warte aus wirkte er so vital wie jemand, der mit Ende dreißig beschlossen hatte, zwei Mal im Jahr einen Marathon zu laufen – das aber vor allem deswegen, weil er glaubte, dass die guten Jahre vorüber waren. Sein Lächeln hatte etwas Verschlagenes; er war mir unsympathisch auf den ersten Blick. In diesem Moment löste er den Blick kurz von der schönen Frau in Gold und sah mich an. Telepathie ist also möglich, dachte ich mir. Jetzt musste nur noch das mit dem Beamen klappen.
Die Trauung war kurz. Karen und ihr Mann standen nach der Zeremonie auf der Bühne und küssten sich, während vom Klavier irgendein klassisches Stück erklang. Ein Diaprojektor warf Jugendbilder der beiden an eine Leinwand. Gleich das dritte zeigte Karen und die linke Hälfte von Falk Lutter auf der Strandwiese am Balaton, ein Bild, das Tobi damals aufgenommen hatte. Dann kam das Paar herunter, man erhob sich abermals und applaudierte, und es bildete sich eine Schlange der Gratulanten, die jedem Ostler die Tränen in die Augen getrieben hätte. Ich hielt mich zurück, organisierte mir ein Bier – von Champagner bekam ich Sodbrennen.
Nach fast einer halben Stunde war auch ich an der Reihe. Ich küsste Karen auf die Stirn und murmelte etwas vom ewigen Frühling, den ich ihr und ihrem Gatten wünschte. Sie lächelteabwesend und sah schon zum nächsten Gratulanten, was mir einen heftigen Stich versetzte.
Dann stand ich vor ihrem Ehemann und bemerkte, noch bevor er mir die Hand reichte, wieder dieses besondere Aroma: nach zwei bis drei Stunden altem Sex, vermischt mit diesem eigentümlichen Geruch, den ich bereits an seiner »besten Freundin« wahrgenommen hatte. Sie hatten kopuliert und waren mit etwas in Kontakt gekommen. Ich blinzelte verwirrt und starrte dann den Mann an, der meine Hand genauso lahm schüttelte, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte.
Ich quälte mich durch das Vier-Gänge-Menü, ertrug das Gefasel meiner Tischnachbarin, mit der Karen kurz vor ihrer Trauung betrogen worden war, blieb höflich, als ein paar Leute nach dem Ende des offiziellen Teils unbedingt noch mit Martin Gold sprechen wollten, nahm auch das Schulterklopfen des hutzeligen Discjockeys hin und schmiedete Fluchtpläne. Karen und ihr Gatte saßen hinter einem Champagnerkühler und einem gewaltigen Rosenbouquet an ihrem Sondertisch direkt vor der Bühne und dem Bereich, den man als Tanzfläche freigelassen hatte. Als sie sich jetzt erhoben, erklang ein Mandolinenintro. »Que sera, sera. Was sein wird, wird sein« – das Lied für alle, die sich ihrem vermeintlichen Schicksal ergeben. Mit dem ersten Refrain erhoben sich auch viele andere Gäste, und als ich eine Bewegung rechts neben mir wahrnahm, sprang ich auf, um Karens Mutter aufzufordern. Manfred sah mich fassungslos und vorwurfsvoll an, bis meine eigentliche
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