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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Abstand beste, die ich hatte finden können. Und, wie ich jetzt feststellte, wohl auch die schwerste. Aber das Acht-Kilo-Paket stellte nicht die einzige Behinderung dar, die mich mit jedem Schritt langsamer gehen ließ. Je näher ich dem Hotel kam, desto unwohler fühlte ich mich bei dem Gedanken, dass Karen in weniger als zwei Stunden mit einem anderen verheiratet wäre. Ich dachte an die Tage am Plattensee, die vielen Gespräche und Briefe, und fühlte mich schlagartig unendlich traurig. Seit jenem Urlaub vor nunmehr zwölf Jahren hatte ich nie wieder eine Frau getroffen, deren Eigengeruch mir nicht nach kurzer Zeit missfiel, ganz egal, wie gut oder schlecht dieser war. Aber es war nicht nur das. Ich seufzte und wechselte das Kaffeemonster unter den anderen Arm.
    Seit einiger Zeit war unser Kontakt … nun, nicht eingeschlafen, aber Briefe schrieben wir uns keine mehr, und auch unsere Telefongespräche waren kürzer, seltener und distanzierter geworden. Das ging von Karen aus. Nach ihrem Umzug in die niedersächsische Landeshauptstadt, wo sie eine gut dotierte Dozentenstelle angenommen hatte und an ihrer Dissertation arbeiten wollte, reduzierte es sich schnell auf höchstens ein Telefonat pro Monat. Wenn ich häufiger anrief, oder auch spontan von unterwegs, reagierte sie mürrisch und einsilbig, fast schon abweisend, also ließ ich das. Ich schrieb ihr verändertes Verhalten der neuen Beziehung zu, der Beziehung mit einem Kollegen, der irgendwas mit Kommunikationswissenschaften machte. Der Mann, den sie heute heiraten wollte.
    Ich spielte im Branchenvergleich inzwischen im oberen Mittelfeld der zweiten Liga. György sagte einmal, ich sei ein Fisch, dem der Schwarm manchmal träge folge, weil kein anderer Fisch auf die Idee gekommen war, die Richtung zuwechseln. Pressetermine wie der vom Vormittag stellten keine Ausnahme mehr dar, waren aber auch längst noch nicht zur Routine geworden. Einige Male war ich im Fernsehen aufgetreten, meisten nur als Drei-Minuten-Nummer in irgendwelchen Magazinformaten, die von Hausfrauen und Rentnern angeschaut wurden. Meine Popularität hatte ein Maß erreicht, das mir sehr angenehm vorkam, bei dem ich es allerdings auch gerne belassen hätte. Hin und wieder wurde ich auf der Straße erkannt. Ich ließ mir die Fanpost von der Plattenfirma zuschicken und beantwortete sie. Mit einigen Fans korrespondierte ich regelrecht, weil sie interessante Geschichten erzählten, aus denen ich vielleicht irgendwann Lieder machen würde. Und in der PR-Abteilung der Company lagen meine Autogrammkarten in fünfstelliger Auflagenhöhe.
    Dennoch überraschte es mich, dass sich die gesamte Hochzeitsgesellschaft zu mir umdrehte und mich fast schamlos angaffte, als ich jetzt im Hotelfoyer auflief. Ich verneigte mich höflich. Manfred und Susanne schälten sich aus der Gruppe und kamen auf mich zu. Ich hatte sie vor ein paar Jahren in Marburg wiedergesehen, mein zweites Gesicht war also nicht neu für sie, und natürlich plapperte Karens stark gealterter Vater zunächst ein paar Minuten über die vergangenen Zeiten, so als hätten wir mehr als nur einige Tage gemeinsam am Balaton verbracht. Beide strahlten. Wir waren von vielen Menschen in den Dreißigern umgeben, Kinder lärmten, im Hintergrund lief
Musac
– einer der wenigen Anglizismen, die ich mochte, denn er fasste sehr viel besser als seine deutsche Entsprechung zusammen, um was es sich dabei handelte: Fahrstuhlmusik. Jemand hielt mir ein Tablett mit Champagnergläsern entgegen, ich stellte endlich die schwere Kaffeemaschine ab und nahm zwei Kelche.
    Dann gab es Bewegung im Foyer, die Tür zum Festsaal war geöffnet worden. In der Zange der grinsenden Brautelternschritt ich in den großen, geschmückten Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine Bühne, darauf ein Klavier und eine Art Podium, über und über bedeckt von Rosenblütenblättern. Ich vermutete, dass dort die Trauung stattfinden würde. Die Türen wurden hinter uns verschlossen, und ich entnahm dem ausgehängten Plan, dass ich an Tisch eins sitzen würde, demjenigen für die engsten Angehörigen. Ich war gerührt, aber das unangenehme Gefühl, das mich auf dem Weg ins Hotel erfasst hatte, verschwand nicht. Außer mir saßen dort Karens Eltern, ein hagerer Mann in den Siebzigern, der sich später als Vater des Bräutigams entpuppte, Witwer seit der Geburt des Sohnes, Karens sehr viel älterer Bruder Rudolf und die drei offenkundig gelangweilten Geschwister ihres Zukünftigen. Den

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